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Bildungskommerzialisierung durch die Hintertür
Paper zu Auslandscampussen deutscher Universitäten
Deutsche Hochschulen sind bei der Einrichtung von Auslandscampussen weniger aktiv als beispielsweise britische oder französische. Manche deutschen Hochschulen expandieren dennoch international und riskieren dabei, eine neoliberale Logik der Bildungskommerzialisierung zu reproduzieren. Ein Artikel in der Fachzeitschrift „Compare“ beleuchtet die Zusammenhänge.
Die Internationalisierung deutscher Universitäten nimmt einen immer größeren Stellenwert in den Debatten der Hochschul- und Wissenschaftspolitik ein. Auch innerhalb der Universitäten selbst wird diskutiert, welche Formen Internationalisierung annehmen, wie man die damit verbundenen Potentiale am besten nutzen, und welche Risiken es dabei zu beachten gilt. Meist geht es dabei um internationale Forschungskooperationen oder um die Mobilität von Studierenden und Forschenden. Nur selten greifen deutsche Universitäten auf eine Strategie zurück, die im angelsächsischen Raum durchaus verbreitet ist: die Einrichtung von vollwertigen Ablegern in einem anderen Land, sogenannte International Branch Campuses.
Einige wenige deutsche Unis tun dies aber doch, wie beispielsweise die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen mit ihrem Ableger in Oman, oder die Technische Universität Berlin mit ihrem mittlerweile wieder geschlossenen Campus in Ägpten. Was dabei passiert, untersuchen Tim Rottleb, Marc Philipp Schulze, und Jana Maria Kleibert in ihrem in der Fachzeitschrift für Bildungsforschung „Compare“ erschienenen Artikel „Germany’s International Branch Campuses: Neoliberalising the Humboldtian University through the Backdoor?“.
Diese Projekte kann man einerseits selbst als Ausdruck der spezifischen Neoliberalisierungstendenzen in der deutschen Hochschullandschaft verstehen. Obwohl beispielsweise keine kommerziellen Motive im Vordergrund stehen, muss man sie doch im Kontext eines sich verstärkenden Wettbewerbs innerhalb Deutschlands (und der EU) verstehen, in dem Universitäten sich vor dem Hintergrund knapper finanzieller Mittel für einen bestmöglichen Zugang zu Fördermöglichkeiten in Stellung bringen und versuchen ihren „Markenwert“ zu steigern. Gleichzeitig verstärken die Auslandscampusse deutscher Universitäten solche Neoliberalisierungstendenzen aber auch. Sie bergen das Potential, dass durch sie neoliberale Logiken strukturell in der entsprechenden Universität verankert werden, indem demokratische Strukturen der universitären Selbstverwaltung ausgehöhlt und Wettbewerbslogiken zu dominanten Entscheidungsgrundlagen werden, sowie das Angebot der Universität auf Arbeitsmärkte und Industrien zugeschnitten wird.
Tim Rottleb ist assoziierter Wissenschaftler des Forschungsschwerpunkts „Ökonomie und Zivilgesellschaft“ und erarbeitete im Rahmen der Nachwuchsrguppe „Constructing Transnational Spaces of Higher Education. International Branch Campus Development at the Interface of Network and Territorial Embeddedness“ (TRANSEDU) seine Promotion zu Transnational Education Zones.
Dr. Marc Schulze promovierte im Rahmen der Nachwuchsgruppe TRANSEDU zu wirtschaftslichen Entwicklungsstrategien und Hochschul-Auslandscampussen in Südostasien.
Prof. Dr. Jana Kleibert ist Professorin für Wirtschafts- und Sozialgeographie an der Universität Hamburg. Am IRS leitete sie die Nachwuchsgruppe TRANSEDU.