Sozialräumliche Disparitäten und Ausgleichspolitiken in Städten der DDR und der BRD
Forschungsschwerpunkt: Zeitgeschichte und Archiv
Forschungsthemen: Räumliche Pfadentwicklung und institutioneller Wandel Formen und Implikationen raumbezogener Governance
Projektleitung im IRS: Prof. Dr. Christoph Bernhardt
Projektteam: Dr. Harald Engler Dr. Małgorzata Popiołek-Roßkamp Dr.-Ing. Stefanie Brünenberg
Laufzeit: 01/2019 - 12/2021
Lange Zeit wurde angenommen, dass soziale Disparitäten in und zwischen Städten im sozialistischen System der DDR weit weniger ausgeprägt waren als im marktwirtschaftlichen System der BRD. Neuere Erkenntnisse zeigen jedoch, dass es Analogien und parallele Entwicklungen in beiden Systemen gab, die sowohl in der BRD als auch in der DDR ab den 1960er-Jahren zur Verschärfung sozialräumlicher Disparitäten führten. So produzierte die nach Statusgruppen differenzierte Wohnraumvergabe in der DDR Disparitäten zwischen Stadtquartieren. Ähnlich wie in Westdeutschland wurden Migranten- und Minderheitengruppen konzentriert in bestimmten Stadtquartieren angesiedelt, was zur Entstehung von „Problemvierteln“ beitrug. Schließlich kam es in beiden deutschen Staaten auch zu einem schrittweisen Rückzug der Bau- und Sozialpolitik aus der Fläche in Folge knapper öffentlicher Kassen, wobei in der DDR die Vernachlässigung von Kleinstädten und historischen Innenstädten als problemverschärfender Faktor hinzukam. Auch hinsichtlich der planungspolitischen Reaktionen auf diese Trends gibt es Hinweise auf analoge Entwicklungen. Etwa kam es in beiden deutschen Staaten zu einer Hinwendung zu einer Politik eher punktueller Aufwertungen von Stadtquartierenmit dem Ziel einer Steigerung ihrer bauästhetischen und kulturellen Attraktivität.
Eine genauere, integrierte Untersuchung der sozialräumlichen Disparitäten und Ausgleichspolitiken in ost- und westdeutschen Städten fehlt bisher. Sie ist deshalb relevant, weil die sozialräumlichen Polarisierungen in beiden Gesellschaften sich langfristig und teilweise bis heute in Form von abgehängten Quartieren und Milieus verfestigten. Mit diesem Leitprojekt soll erstmals ein integrierter Analyserahmen für historische Forschungen zu sozialräumlichen Disparitäten über Systemgrenzen hinweg entwickelt und erprobt werden. Drei Forschungsziele werden verfolgt: Zunächst geht es darum, tragfähige sozial- und geschichtswissenschaftliche Analysekategorien zu identifizieren, weiterzuentwickeln und zu testen. In einem zweiten Schritt sollen die konzeptionellen Grundlagen von ausgleichsorientierten Politiken, sowie ihre Umsetzung in konkreten Maßnahmen in beiden deutschen Staaten beleuchtet werden. Schließlich soll anhand von „Ortsbiographien“ in beiden deutschen Staaten gezeigt werden, wie die Entstehung von „Problemquartieren“ zeitlich verläuft – sowohl im Sinn sozialstruktureller Disparitätenbildung, als auch im Sinn kommunikativer Zuschreibungen.
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