Plattform-Ökologie: Kreative Zusammenarbeit im Spannungsfeld zwischen virtuellen und konkreten Räumen am Beispiel von Modedesign
Forschungsschwerpunkt: Ökonomie und Zivilgesellschaft
Forschungsthemen: Geteiltes Wissen - lokal und über Distanz Innovationsprozesse in raum-zeitlicher Perspektive
Projektleitung im IRS: Prof. Dr. Oliver Ibert
Projektteam: Alica Repenning Prof. Dr. Suntje Schmidt Dr. Anna Oechslen
Laufzeit: 01/2019 - 12/2021
Immer mehr – professionelle wie private – Austausch- und Interaktionsbeziehungen werden durch digitale Plattformen vermittelt, die sich ihrerseits immer weiter spezialisieren und diversifizieren. Solche Plattformen haben gemein, dass sie jeweils eine spezifische Schnittstelle zwischen der „materiellen“ und der „virtuellen“ Welt schaffen, an welcher menschliches Handeln in Daten übersetzt wird und umgekehrt. Weiterhin liegen jedem Plattform-Geschäftsmodell Annahmen über soziales Handeln zu Grunde, welche durch das intermediäre Wirken der jeweiligen Plattform „performativ“ verstärkt werden. In wirtschaftsgeographischen Fachdiskussionen zur „Plattform-Ökonomie“ wird die Spannung thematisiert, die zwischen dem Potenzial für mehr Offenheit, Kooperation über Distanz und Partizipation durch digitale Plattformen einerseits, und der ausgeprägten Monopol-Neigung und räumlichen Konzentration digitaler Plattform-Unternehmen andererseits besteht.
Das Leitprojekt untersuchte, wie unterschiedliche, spezialisierte Digitalplattformen in Designprozessen zum Einsatz kommen und welche Muster räumlicher Arbeitsteilung in der Kreativarbeit dadurch entstehen. Es legt den Begriff der „Plattform-Ökologie“ zu Grunde. Gemeint ist damit die Einbettung vielfältiger Digitalplattformen in ein System von konkreten und virtuellen Interaktionsbeziehungen, das typisch für einen bestimmten sozialen Kontext ist – etwa eine Branche.
Mit dem Fokus auf kreative Prozesse wie das Design von Modeprodukten thematisierte das Projekt die spezifischen Beiträge unterschiedlicher Plattformen – etwa für Crowdfunding/-sourcing, Designkollaboration oder Produktionsleistungen – in unterschiedlichen Phasen kreativer Wertschöpfung. Viele für die Mode wertentscheidende Größen wie die Haptik und Verarbeitungsqualität eines Materials lassen sich schwer digital vermitteln. Zudem verfügt die Modewelt über ein lange etabliertes System kreativer Zusammenarbeit über Distanz, das auf Formaten temporärer Ko-Präsenz beruht. Das Vordringen digitaler Plattformen in solche ehemals rein „analogen“ Domänen hat damit das Potenzial, räumliche Arrangements der Wertschöpfung in der Mode grundlegend zu verändern, zu Gunsten oder Ungunsten etablierter Kreativzentren.
Das Projekte verfolgte zwei Fragekomplexe:
• Welche Plattformen existieren und was charakterisiert sie mit Blick auf Funktion, Geschäftsmodell, Schnittstellengestaltung, Nutzer/-innen und Unternehmensstandorte? Welche (neuen) räumlichen Organisationsformen und Arbeitsteilungen produzieren sie?
• Wie werden Plattformen in Designprozesse einbezogen, was ist der jeweilige Beitrag und wie spielen digital vermittelte und nicht-digitale Praktiken zusammen? Wann wird virtuelle Kommunikation und wann Austausch durch Ko-Präsenz bevorzugt?
Die Forschungsgegenstände wurden durch eine Kombination von Online-Recherchen, Expert/-innen- und Akteurs-Interviews und ethnographischen Elementen empirisch untersucht.
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