18. September 2025 | Nachricht

Weniger Philosophie, mehr Empirie

Workshop diskutiert agonistische Planungstheorie

In Berlin diskutierten Planungsforscher*innen aus dem deutschsprachigen Raum über das Verständnis von Konflikt in der aktuellen Planungstheorie. Forschungsergebnisse aus dem IRS zeigen: Planungskonflikte lassen sich nicht so geregelt austragen, wie neuere Ansätze der Planungstheorie es nahelegen.

 

Konflikte bestimmen derzeit die Planungspraxis in vielen Städten und Regionen. In der Planungsforschung hat sich deshalb der Fokus in den letzten Jahren deutlich von der Konsenssuche auf den Umgang mit Konflikten verschoben. Das bisher dominante Paradigma der kommunikativen Planung wird durch die Theorie der agonistischen Planung herausgefordert. Diese sieht Konflikte als produktiv und konstruktiv für die plurale Demokratie an. Im Kern fordert die agonistische Planungstheorie ein zivilisiertes Streiten, das die Regeln der Demokratie beachtet – und das zu Ergebnissen führen darf, die nicht allen gefallen. Gleichzeitig regt sich Kritik an diesem Ansatz, weil er, so heißt es, keine wirklich gangbaren Wege für die Planungspraxis aufzeigt. Auf Einladung der IRS-Planungsforscher Manfred Kühn und Christoph Sommer kamen am 12. September 2025 namhafte deutschsprachige Expert*innen aus den Planungswissenschaften in Berlin zu einem Workshop zusammen, um das Für und Wider der agonistischen Planungstheorie zu diskutieren. Aktuelle Forschungen zu Planungskonflikten aus dem IRS bildeten die Grundlage für die Diskussion.

Kühn und Sommer erforschen Konfliktarenen, also die Settings der Austragung von Planungskonflikten – wie etwa Beteiligungsprozesse, Bürgerentscheide und Gerichtsverfahren. Konkret analysieren sie konfliktbehaftete Vorhaben der Bauleitplanung in fünf deutschen Großstädten: etwa den umstrittenen Uferweg am Griebnitzsee in Potsdam oder den in Freiburg geplanten Stadtteil Dietenbach. Über die Fallstudien hinweg beobachteten Kühn und Sommer eine Verschiebung der Auseinandersetzung, heraus aus den etablierten (und auf Konsensbildung ausgerichteten) Beteiligungs- und Planungsformaten und hin zu direktdemokratischen Arenen wie Bürgerentscheiden – oder in Gerichtsverfahren. Manche Konflikte wurden auf diesem Weg jedoch nicht zivilisiert, sondern sie verschärften sich. Was heißt das für die Idee der agonistischen Planung, theoretisch wie auch in der Praxis? Und ist das gewählte Vorgehen überhaupt das richtige, um Aussagen über agonistische Planung machen zu können?

In der Diskussion erhielten die IRS-Forscher Bestätigung für ihren Untersuchungsansatz: Der Begriff der „Konfliktarenen“ sei originell und eine geeignete Linse, um Planungskonflikte analytisch zu betrachten. Die Forschungsergebnisse nahm die Runde zum Anlass, kritisch über die Idee der Zähmung von Konflikten durch demokratische Austragung nachzudenken. Kühn und Sommer beobachten in mehreren Fällen verhärtete Fronten, Verschärfung und Emotionalisierung. Verfahrensregeln selbst werden zum Anlass von Streit und Vertrauensverlust. Es findet also eher das Gegenteil dessen statt, was die agonistische Planungstheorie vordenkt. So wurde in der Diskussion der Ruf laut, die Planungstheorie weniger philosophisch aufzuladen und sie stattdessen besser empirisch zu begründen. In der beobachteten Praxis überlagern sich Ansätze aus verschiedenen planungstheoretischen Denktraditionen (rational, kommunikativ, agonistisch). Konsensbildung und Konfliktaustragung sind im politischen Kontext zwei zusammenhängende Prozesse und nicht so fundamental widersprüchlich, wie es in der Theorie beschrieben wird. So leisten die von Manfred Kühn und Christoph Sommer erhobenen Fallstudien einen Beitrag dazu, Planungstheorie stärker empirisch zu unterfüttern.

Der Workshop fand im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekts „Arenen des Konflikts: Planung und Partizipation in der pluralen Demokratie“ statt, das von Anfang 2023 bis Ende 2025 läuft.

IRS aktuell 103 / Juni 2025

Diese Ausgabe widmet sich unserer zunehmend konfliktgeladenen Welt und der Frage, welchen Beitrag raumbezogene Sozialforschung zu ihrem Verständnis leisten kann. In diesem Zusammenhang nähert sich die Forschung des IRS dem Thema Konflikte aus unterschiedlichen Perspektiven. Konflikte sind dabei aus naheliegenden Gründen ein zentrales Thema der Planungsforschung: Ob Windkraftanlagen oder Wohnungsbau – Planungsprojekte werden zunehmend von heftigen, teils grundsätzlichen Auseinandersetzungen begleitet. mehr Info