Arenen des Konflikts: Planung und Partizipation in der pluralen Demokratie
Forschungsschwerpunkt: Politik und Planung
Projektleitung im IRS: Dr. Manfred Kühn
Projektteam: Dr. Christoph Sommer
Förderorganisation: Deutsche Forschungsgemeinschaft
Laufzeit: 01/2023 - 12/2025
Ob Proteste gegen Großprojekte wie Stuttgart 21, Windenergieanlagen oder Bebauungspläne in wachsenden Großstädten: Die räumliche Planung ist verstärkt mit Konflikten konfrontiert. Die Planungsakteure stehen beim Umgang mit diesen Konflikten vor einem Dilemma: Einerseits wird die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren gefordert, auch um breit akzeptierte und gemeinwohlorientierte Ziele wie Klimaschutz, Energiewende und Wohnungsbau zu erreichen. Andererseits steigen die Ansprüche an die Partizipation der Öffentlichkeit. Dabei geraten die klassischen Formen der Bürgerbeteiligung an ihre Grenzen. Denn „mehr Beteiligung“ oder direkte Demokratieformen durch Bürger- bzw. Volksentscheide tragen oft nicht zur Befriedung von Konflikten bei, sondern können Konflikte verschärfen.
In der internationalen Planungstheorie wurde die gestiegene Relevanz von Konflikten durch Ansätze der agonistischen Planung aufgegriffen. Diese sehen – in Anlehnung an die Politikforscherin Chantal Mouffe – Konflikte in pluralistischen Demokratien als immanent und positiv an und grenzen sich von den konsensorientierten Ansätzen der kommunikativen Planungstheorie ab. Danach kommt es darauf an, antagonistische Kämpfe zwischen Feinden in agonale Auseinandersetzungen zwischen Gegnern im Rahmen der demokratischen Institutionen zu verwandeln und einen „konflikthaften Konsens“ herzustellen. Eine wichtige Voraussetzung für die Zähmung antagonistischer Konflikte ist die Akzeptanz von Regeln der Konfliktaustragung durch die Konfliktgegner. Dadurch rücken die Beteiligungsformen in Planungs- und Genehmigungsverfahren in den Mittelpunkt der Konfliktaustragung.
Ziel des Projektes ist es, vorhandene Planungstheorien weiter zu entwickeln, indem rationale, kommunikative und agonistische Planungstypen im Umgang mit Konflikten unterschieden und Planungskonflikte an empirischen Fallbeispielen in der Praxis untersucht werden. Das Projekt strebt dabei eine engere Verbindung der Planungsforschung mit politikwissenschaftlichen Ansätzen der Partizipations- und Demokratieforschung an. Dazu wird der Ansatz der Konfliktarena verwendet.
Konflikte entstehen, wenn unvereinbare Interessen, Ziele oder Wertvorstellungen aufeinandertreffen und miteinander kämpfen (lateinisch confligere: zusammentreffen, kämpfen). „Konflikt-Arenen“ werden deshalb als öffentliche Orte der Konfliktaustragung definiert, in denen Akteure in Partizipationsverfahren mit widerstreitenden Interessen im Vorfeld von Entscheidungen aufeinandertreffen. Durch dieses Aufeinandertreffen entsteht ein öffentlicher Streit-Raum innerhalb von Planungs- und Genehmigungsverfahren zwischen Planungs- bzw. Projektträgern, Befürwortern und Gegnern. Im Typ der rationalen Planung zählen zu diesen Arenen die formellen Beteiligungsformen, in der kommunikativen Planung die informellen Formen der Bürgerbeteiligung und im Typ der agonistischen Planung die offene Diskussion von Alternativen.
Das Projekt verfolgt die folgenden Leitfragen:
1. In welchem Verhältnis treten rationale, kommunikative und agonistische Planungstypen in Konfliktfällen in der Praxis auf?
2. Welche Arenen und Stufen der Partizipation tragen wie zur demokratischen Austragung und Regulierung von Konflikten bei?
3. Unter welchen Bedingungen transformieren Partizipationsverfahren in der Planung antagonistische in agonistische Konflikte?
Zur empirischen Analyse von Planungskonflikten wird der Ansatz der Konfliktfeldanalyse verwendet. In sechs empirischen Fallstudien werden Konflikte in den Feldern Stadtentwicklungsplanung, Bauleitplanung und Genehmigung von Projekten in Groß- und Mittelstädten Deutschlands untersucht. Im Mittelpunkt der qualitativen Forschung stehen Konflikte in planerischen Partizipationsverfahren. Durch den Wechsel von deduktiven und induktiven Methoden der qualitativen Forschung strebt das Projekt eine enge Verbindung zwischen Planungstheorie und Praxis an.
Das Projekt arbeitet mit folgenden qualitativen Methoden der Sozialforschung und verbindet dabei Politik- und Planungsanalysen:
-Dokumentenanalysen (u.a. lokale Konzepte, Protokolle, Berichte)
-Medien- und Presseanalysen
-Leitfaden-gestützte Expert*inneninterviews: mit Politik, Verwaltung, Zivilgesellschaft und Wirtschaft
-Vergleichende empirische Fallstudien
-Expertenworkshops: zur Diskussion der Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse
Die (Zwischen-)Ergebnisse werden auf nationalen und internationalen Fachkonferenzen präsentiert und in Artikeln von nationalen und internationalen Fachzeitschriften veröffentlicht.
Foto: Rasande Tyskar/CC BY-NC 2.0/flickr.com