27. Oktober 2025 | Nachricht

Drei Jahrzehnte Konversion

Regionalgespräch zur Nachnutzung ehemaliger Militärflächen in Brandenburg

Beim 59. Brandenburger Regionalgespräch kamen am 15. Oktober 2025 im Brandenburg Museum für Zukunft, Gegenwart und Geschichte in Potsdam etwa 60 Fachleute und Interessierte aus Planung, Wissenschaft, Umwelt- und Denkmalschutz zusammen. Anlass war der Rückblick auf 30 Jahre Konversion in Brandenburg. 

Moderiert von Anika Posselius und Gerhard Mahnken (IRS) wurden unter dem Titel „Neues Land ohne Krieg. Chancen und Probleme der Umnutzung ehemaliger militärischer Flächen in Brandenburg“ mit Podiumsgästen und dem Publikum Erfahrungen aus den vergangenen drei Jahrzehnten Konversion, der Nachnutzung ehemaliger militärischer Liegenschaften in Brandenburg, diskutiert. Nach dem Abzug der sowjetischen Streitkräfte im Zuge des Zwei-plus-Vier-Vertrags, hatte das Bundesland eine „Jahrhundertaufgabe“ zu stemmen: ehemalige Truppenübungsplätze, Flugplätze, Kasernen oder Tanklager mussten von Altlasten beräumt, Konzepte ziviler Nachnutzung entwickelt und umgesetzt werden.

Die Expert*innen berichteten in kurzen Impulsvorträgen zu einem ausgewählten Aspekt des Themenkomplexes Konversion. Einige der Podiumsgäste haben zum Teil ihre gesamte Berufskarriere mit der Arbeit an diesem Thema verbracht, so berichteten Arne Krohn, Baudezernent a.D. der Fontanestadt Neuruppin, und Markus Hennen, Büro für Konversion und Stadtentwicklung, an den Beispielen von Neuruppin und Jüterbog, von den immensen Herausforderungen aber auch Möglichkeiten, die sich für die Stadt- und Regionalplanung ergebenen haben. In Brandenburg hat das in der 1990er Jahren zu einer bis heute aktiven Vernetzung von Akteur*innen der Konversion aus Verwaltung, Politik und Gesellschaft, dem FOKUS-Netzwerk, geführt.

Von den zahlreichen Truppenübungsplätzen in Brandenburg, deren Geschichte zum Teil bis ins Kaiserreich zurückreicht, sind einige zu Naturschutzgebieten umgestaltet worden. Dr. Hannes Petrischak von der Heinz Sielmann Stiftung thematisierte den besonderen Artenreichtum der Fauna und Flora der Döberitzer Heide oder der Kyritz-Ruppiner Heide, aber auch die Aufgaben, die mit der Erhaltung dieser Flächen verbunden sind. Immer wieder wurden von den Podiumsgästen die Altlasten in den Böden der Konversionsflächen angesprochen; Treibstofftanks und Chemikalien bspw. aus alten Wäschereien können in das Grundwasser gelangen, Munitionsreste stellen eine Gefahr für Menschen beim Betreten der Flächen dar und sind ein andauerndes Thema für die Feuerwehren in dem Bundesland mit dem höchsten Waldbrandrisiko. Andreas Isenberg, im Umweltamt des Landkreises Teltow-Fläming zuständig für den Wasser- und Bodenschutz, erklärte, dass eine Bodendekontamination für die Nutzbarmachung der Flächen teuer und aufwändig ist, in manchen Bereichen gar nicht leistbar. Es gibt Zonen, die aufgrund der Kampfmittelbelastung nicht zugänglich sind, auch nicht für die Feuerwehr bei Waldbränden.

Ein weiterer Aspekt der Konversion wurde durch Dr. Viviane Taubert vom Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege beleuchtet: die militärischen Hinterlassenschaften in Brandenburg sind auch Zeugnisse der Geschichte des Landes und Bestandteile der Kulturlandschaft, deshalb sind manche von ihnen entsprechend der Landesgesetzgebung zu schützen, zu erhalten, zu pflegen und zu erforschen. Aufgrund der schieren Menge an Gebäude- und Flächenensembles und begrenzter personeller Ressourcen kann der Denkmalschutz hier aber nur exemplarisch vorgehen. Insbesondere für die weitere Erforschung ist das jedoch problematisch.

Małgorzata Popiołek-Roßkamp Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung (IRS), begleitete das Regionalgespräch mit ihrer wissenschaftlichen Expertise. Sie stellt fest, dass das Militärische in der wissenschaftlichen Community und in der Erinnerungskultur in den letzten Jahren eher wenig wahrgenommen worden sei. Dabei lebte ganz Brandenburg jahrzehntelang mit dem Militär und seinen baulichen und infrastrukturellen Folgen, betonte die Expertin. Seit einiger Zeit könne man aber ein neues Interesse an der Konversion beobachten, was nicht zuletzt mit der politischen Zeitenwende zusammenhängt. Im Rahmen des Regionalgespräches eröffnete Sie eine online Ausstellung mit zu den Folgen des Truppenabzugs in Brandenburg, die sie zusammen mit Irmgard Zündorf vom Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF) unter Mitarbeit von Maximilian Gärtner (ZZF) und Zoe Schodder (IRS) als Ergebnis eines Drittmittelprojektes erarbeitet hat. Neben einführenden Texten umfasst die Ausstellung eine Reihe von Bildern der Potsdamer Fotografin Susanne Müller. Sie hat die Zeit des sowjetischen Truppenabzugs eindrucksvoll dokumentiert. In sechs Videointerviews sprechen Handelnde der Zeit, u.a. auch Podiumsgäste des Regionalgesprächs, über verschiedene Facetten der Konversion wie Politik, Planung, Bürgerproteste, Naturschutz, Altlasten und Denkmalpflege.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Konversion in Brandenburg eine Jahrhundertaufgabe bleibt, weil sie auch nach über 30 Jahren nicht abgeschlossen ist. Es wurde schon viel geschafft, gesammeltes Wissen muss nun aber an eine nächste Generation von Stadt- und Raumplaner*innen, Umwelt-, Boden- und Denkmalschützer*innen übergehen.

Kontakt

Referentin Strategische Vernetzung und Ko-Kreation
Regionalgespräch
15. Oktober | 2025

Das 1990 gegründete Bundesland Brandenburg war nach dem Kalten Krieg die am stärksten militarisierte Region Europas. Nach Abzug dersowjetischen Truppen und Aufgabe vieler NVA-Standorte blieben in Brandenburg zahlreiche leere Kasernen und verlassene Truppenübungsplätze. Ihre zivile Umnutzung bot einerseits Chancen für Wirtschaft und Natur, andererseits mussten enorme politische, gesellschaftliche und - nicht zuletzt ökologische Probleme gelöst werden, die bis in die Gegenwart reichen. mehr Info