24. September 2024 | Ausgewählte Publikation

Der Wert sozialer Innovationsprozesse

Special Issue zu Sozialinnovationen in der ländlichen Entwicklung

 

Mit sozialen Innovationen sind in der ländlichen Entwicklung große Hoffnungen verknüpft. Doch viele erwartete Wirkungen sind unzureichend methodisch und konzeptionell untersetzt. In der Fachzeitschrift „Societies“ erschien nun ein von Forschenden des IRS herausgegebenes Special Issue, das aktuelle Forschungslücken adressiert.

Schon seit längerem sind soziale Innovationen ein wichtiges Thema in der ländlichen Entwicklung, sowohl in der wissenschaftlichen Debatte wie auch in der (förder-)politischen Praxis. Mit ihnen wird die Hoffnung verknüpft, den Strukturproblemen benachteiligter Stadtquartiere und ländlicher Räume (etwa schlechte infrastrukturelle Versorgung) mit kreativen Lösungen zu begegnen, die von Initiativen vor Ort vorangetrieben werden. Soziale Innovationen sind ein Ausdruck lokaler Selbstermächtigung beziehungsweise eines Empowerments von Gruppen und Gemeinschaften, deren Bedürfnisse durch soziale Innovationen adressiert werden. Transformative Prozesse sollen in Gang gesetzt werden und nachhaltige Wirkung erzielen, sprich, einen Impact erzeugen.

Die Begriffe „Empowerment“, „(disruptive) Transformation“ und „Impact“ sind in der sozialen Innovationsforschung omnipräsent, allerdings konzeptionell und methodisch kaum untersetzt. Diese Forschungslücke adressieren die IRS-Forscher*innen Gabriela Christmann und Ralph Richter sowie die ehemalige IRS-Mitarbeiterin Ariane Sept mit einem Sonderheft in der Fachzeitschrift „Societies“. Unter dem Titel „Social Innovation in Urban and Rural Areas: Empowerment, (Disruptive) Transformative Processes and Impact on Community Development“ versammelt das Heft acht Beiträge, die sich sozialen Innovationen in Hinblick auf diese Begriffe und anhand empirischer Beispiele in verschiedenen Regionen der Welt widmen.

Einen Beitrag zur Bewertungspraxis in ländlichen sozialen Innovationsprozessen steuert ein Team von Autor*innen im Forschungsschwerpunk „Ökonomie und Zivilgesellschaft“ bei. Aus Sicht von Jonathan Hussels, Ralph Richter und Suntje Schmidt haben sich in der Debatte um den Impact sozialer Innovationen einige Denkmuster eingeschlichen, die es sich zu hinterfragen lohnt. Ein wichtiger Kritikpunkt ist die verbreitete Praxis, den Impact von sozialen Innovationen als objektiven Fakt zu begreifen, der gemessen und quantifiziert werden kann. Die Autor*innen entwickeln eine Perspektive, in der zum einen der Wert eines sich noch entfaltenden, unabgeschlossenen Innovationsprozesses und zum anderen die Bedeutung sozialer Konstruktionen berücksichtigt werden. Es geht also darum, wie Personen „im“ und „um“ den Innovationsprozess Wert erleben, aushandeln und zuschreiben. Unter dem Titel „The Impact of Dissonance? A Valuation Perspective on Rural Social Innovation Processes” führen die Autor:innen den Begriff der „Dissonanz“ ein, um subjektiven Bewertungspraktiken im Innovationsprozess habhaft werden zu können.

In einem weiteren Beitrag mit IRS-Beteiligung erklären Christmann, Sept und Richter unter dem Titel „Socially Innovative Initiatives in Deprived Rural Areas of Germany, Ireland and Portugal: Exploring Empowerment and Impact on Community Development“ welche Erfahrungen von Empowerment die Beteiligten an sozialen Innovationsprozessen machen. In ihrem Artikel „Valuation in Rural Social Innovation Processes—Analysing Micro-Impact of a Collaborative Community in Southern Italy” gehen Federica Ammaturo und Suntje Schmidt auf eine Fallstudie zu kollaborativer Nahrungsproduktion in Süditalien ein, um zu zeigen, wie Bewertungsprozesse in das Innovationshandeln integriert sind.

Der IRS-Forscher Chen Gao beleuchtet zusammen mit Eleonora Psenner (Karlsruhe Institute of Technology) in ihrem Artikel „Transforming the Creative and Social Entrepreneurial Ecosystem: The Broker Roles of Rural Collaborative Workspaces” wie kollaborative Arbeitsorte in den letzten Jahren verstärkt in ländlichen Räumen präsent sind. Sie zeigen, dass solche Orte dabei helfen, Netzwerkbeziehungen aufzubauen und deshalb bedeutend für die Entstehung von Entrepreneurial Ecosystems in ländlichen Räumen sind.