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Von der Nische zum neuen Normal?
Workshop erkundete Chancen für das Mainstreaming nachhaltiger Mobilitäts- und Logistikpraktiken
Unzählige Forschungsprojekte, Modellvorhaben und Reallabore widmen sich neuen Lösungen für eine nachhaltige Mobilitäts- und Logistikwende. Während die dabei erprobten Angebote – etwa Lastenrad-Sharing oder Paketabholung statt emissionsintensiver Haustürzustellung – temporär und in bestimmten Kontexten gut funktionieren, erweisen sich viele Projekte in der realen Umsetzung als nicht tragfähig. Der Expert*innenworkshop „Sozial-ökologische Transformation im Kiez“ widmete sich am 15. Oktober 2021 den Möglichkeiten eines Mainstreamings nachhaltiger Mobilitäts- und Logistiklösungen.
Selten gelingt es bei neuartigen Mobilitäts- und Logistikprojekten, über einen kleinen Personenkreis hinaus eine größere Anzahl regelmäßiger Nutzer*innen zu gewinnen. Strukturelle Hürden bestehen fort. Eine über den Projektzeitraum hinaus reichende Wirkung bleibt begrenzt. Das Projekt „StadtQuartier 4.1“ untersucht, unter welchen Umständen nachhaltige Logistiklösungen, wie beispielsweise Lastenrad-Sharing, akzeptiert und genutzt werden. Unter der Federführung der Projektbeteiligten vom IRS (Ralph Richter, Paul Witte und Gabriela Christmann) bündelte der Workshop in den Räumen des StadtQuartier-Projektpartners insel-projekt.berlin in Berlin-Charlottenburg Wissen über das Mainstreaming nachhaltiger Mobilitätsangebote und die Verstetigung erarbeiteter Lösungen.
Zu dem kombinierten Präsenz- und Online-Workshop trugen 16 Fachleute aus Wissenschaft und Praxis ihre Konzepte, Überlegungen und Erfahrungen zusammen. Die Keynote-Vorträge steuerten Sophia Becker, Professorin für nachhaltige Mobilität an der Technischen Universität Berlin, und die Mobilitätsforscherin Lisa Ruhrort vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, bei. Ruhrort machte dabei deutlich, dass oft erst Gelegenheitsfenster im Zuge gesellschaftlicher Umbrüche neuartigen Lösungen und Praktiken zum Durchbruch verhelfen. Die in Forschungs- und Praxisprojekten zuvor erprobten Angebote spielten hierfür eine wichtige Rolle, denn nur wenn diese sich zuvor als Nischen-Lösungen bewährt hätten, könnten sie im entscheidenden Moment breitere gesellschaftliche Akzeptanz und Nutzung erfahren und zum „neuen Normal“ werden. In den anschließenden Praxis-Vorträgen von Lastenrad-Expert*innen aus Hannover, Berlin und Wien zeigte sich, dass die Nutzung von Lastenrädern gerade an dieser Schwelle zu einer breiteren Akzeptanz und Nutzung stehen könnte. Anhand von Forschungsergebnissen aus dem StadtQuartier-Projekt schränkten Paul Witte und Ralph Richter (IRS) aber ein, dass sich eine breitere soziale Akzeptanz derzeit eher für Großstädte als zum Beispiel für suburbane Räume zeige.
Die Durchführung als hybride Veranstaltung erwies sich als überraschend praktikabel. Die Präsenz- und Online-Teilnehmenden beteiligten sich gleichermaßen rege an den Diskussionen. Referent*innen und Gäste aus entfernteren Regionen und Ländern (u. a. aus Österreich) war die Teilnahme möglich, ohne dafür nach Berlin kommen und den ökologischen Fußabdruck strapazieren zu müssen. Der Titel des Workshops „Sozial-ökologische Transformation im Kiez“ verwies zum einen auf die notwendige Gestaltung der Transformation in der Praxis und zum anderen auf den Mierendorff-Kiez in Berlin-Charlottenburg als konkreten Untersuchungsort im StadtQuartier-Projekt. Die Bedeutung des Ortes dokumentierte der Workshop mit der Durchführung des Präsenzteils in den Räumen des Praxispartners insel-projekt.berlin und mit einem abschließenden Stadtspaziergang durch das Reallabor Mierendorff-Kiez.
Das Forschungsprojekt „StadtQuartier4.1 – Entwicklung und praktische Umsetzung flexibler Quartiers-Hubs in der Metropolregion Berlin-Brandenburg" wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Die Koordination liegt beim IRS. Beteiligt sind darüber hinaus LogisticNetwork Consultants GmbH (LNC) in Hannover, das Fraunhofer Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik in Berlin und die insel-projekt.berlin UG. Das Projekt läuft von Mai 2020 bis Mai 2022.