StadtQuartier4.1 – Entwicklung und praktische Umsetzung flexibler Quartiers-Hubs in der Metropolregion Berlin-Brandenburg
Forschungsschwerpunkt: Ökonomie und Zivilgesellschaft
Forschungsthemen: Neue soziale Praktiken Innovationsprozesse in raum-zeitlicher Perspektive
Projektleitung im IRS: Prof. Dr. Gabriela Christmann
Projektteam: Dr. Ralph Richter
Verbundpartner: Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung (Koordination) LNC LogisticNetwork Consultants GmbH Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik INSEL-PROJEKT.BERLIN GmbH
Förderorganisation: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
Laufzeit: 05/2020 - 05/2022
Das IRS betreute im Verbundvorhaben „StadtQuartier 4.1“ das Teilprojekt „Soziale Akzeptanz und Adaption neuartiger Logistiklösungen in der Metropolregion Berlin-Brandenburg“. Dieses hatte drei Ziele. Erstens will es an der Schnittstelle zwischen technischer und sozialer Innovation herausfinden, ob und wie sich die Einführung neuartiger Logistik- und Mobilitätsangebote (u.a. anbieteroffene Paketstation und Lastenrad-Sharing) in einem Stadtquartier in den logistikbezogenen Denk- und Verhaltensweisen der dort lebenden und tätigen Menschen niederschlägt. Zweitens will es die kommunikativen und partizipativen Prozesse ergründen, über welche die neuartigen Logistik- und Mobilitätslösungen in Stadtviertel hinein vermittelt werden. Und drittens erforschte es, ob und wie die soziale Akzeptanz für neuartige Logistiklösungen systematisch zwischen urbanem und suburbanem Wohnumfeld variiert. Das IRS-Teilprojekt stellt Wissen darüber bereit, wie und unter welchen Bedingungen sich technische Innovationen im Bereich der Stadtlogistik sozial etablieren und einen Beitrag zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung leisten können.
Das Teilprojekt liefert die begleitende Sozialforschung für ein Verbundvorhaben, mit dem auf der Mierendorff-Insel im Berliner Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf die Etablierung neuartiger Logistiksysteme erprobt und ihre entlastende Wirkung auf den Verkehr überprüft werden. Konkret ging es im Pilotprojekt um die Erprobung eines sogenanntes Flex-Q-Hub (anbieteroffene Paketstation und Mikro-Depot), um ein Lastenfahrrad-Sharingsystem und um die Errichtung einer multifunktionalen Be- und Entladezone. Hintergrund des BMBF-geförderten Vorhabens ist der zunehmende Liefer- und Wirtschaftsverkehr, der einen Anstieg von Lärmemissionen und Schadstoffausstoß und eine Zunahme der Nutzerkonkurrenz in beengten Verkehrsräumen und damit verbundene Gefahrensituationen zur Folge hat. Die erprobten Logistikansätze sollen Lieferverkehre verträglicher abwickeln, verlagern und vermeiden und so einen Beitrag zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung leisten.
Das IRS-Teilprojekt wurde in vier Modulen realisiert. Im ersten Modul („Exploration“) wurdr der Status-quo hinsichtlich der Abwicklung von privaten und geschäftlichen Lieferverkehren und von bestehenden Initiativen für eine nachhaltige Stadtentwicklung untersucht. Im Modul „Panel-Wirkungsanalyse“ wurde mittels einer Panelbefragung von Bewohner/-innen und Gewerbetreibenden auf der Mierendorff-Insel ermittelt, inwiefern die im Projekt realisierten neuartigen Logistikangebote soziale Akzeptanz finden. Die Wiederholungsbefragung nach einem Jahr ermöglicht Rückschlüsse auf Veränderungen von logistikbezogenen Denk- und Verhaltensweisen. Kommunikations- und Partizipationsprozesse haben eine wichtige Funktion wenn es darum geht, Menschen im Stadtquartier für nachhaltige Logistiklösungen zu interessieren und zur Nutzung zu motivieren. Wie eine hohe Akzeptanz und eine Übersetzung in Alltagspraktiken erreicht werden kann, ist Gegenstand des Moduls „Kommunikations- und Partizipationsprozesse“. Schließlich ging es im Teilprojekt auch darum herauszufinden, welche Rolle unterschiedliche Wohnumfelder für die soziale Akzeptanz neuartiger Logistiklösungen spielen. Hierzu untersuchten wir vergleichend neben der innerstädtischen Mierendorff-Insel ein suburbanes Wohnquartier im brandenburgischen Erkner (Modul „Vergleich von urbanem und suburbanem Wohnumfeld“).
StadtQuartier 4.1 vertiefte und erweiterte die Forschungen aus dem Vorgängerprojekt Stadtquartier 4.0 (2017-2020). In diesem ging es darum, die Ver- und Entsorgung im Berliner Holzmarkt-Quartier durch den Einsatz von Paketstation und Mikrodepot, durch Fahrzeug-Sharing und den Ausbau urbaner Produktion ökologisch nachhaltig zu organisieren. In der begleitenden Sozialforschung zeigte sich, dass neuartige Logistiklösungen soziale Akzeptanz in jungen und kreativen Milieus erfahren, kaum aber in ärmeren Bevölkerungsschichten. Insbesondere Praktiken des Teilens sind mit postmaterialistischen Werthaltungen verbunden, die sich eher in jungen, kreativen Milieus finden als in ärmeren Bevölkerungsschichten. Für eine breite Etablierung neuartiger Logistiklösungen kommt es darauf an, diese Angebote auch für weniger privilegierte Bevölkerungsschichten attraktiv zu machen. Wie das gelingen kann, wurde unter anderem in StadtQuartier 4.1 untersucht.
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