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Bauen und Planen im Nationalsozialismus und danach - Zwei neue Drittmittelprojekte der ehemaligen Historischen Forschungsstelle
Seit einigen Jahren lassen die deutschen Ministerien vermehrt ihre unheilvolle Vorgeschichte in der Zeit des Nationalsozialismus wissenschaftlich aufarbeiten. Nach den aufsehenerregenden Studien unter anderem zum Auswärtigen Amt (2010) und zum Innenministerium (2018) will jetzt auch das zum Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) gehörende Bauressort der Regierung seine Vorgeschichte in der Zeit des Nationalsozialismus erforschen lassen. Über das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBSR) schrieb das Ministerium im vergangenen Jahr ein Forschungsprojekt aus, das sich in insgesamt 12 Teilprojekten mit verschiedenen Dimensionen vom „Bauen und Planen im Nationalsozialismus. Voraussetzungen, Institutionen, Wirkungen“ befassen soll. Ziel ist es dabei, „die NS-Vergangenheit der damals zuständigen Institutionen für Stadtentwicklung, Wohnungswesen, Raumordnung und Bauen in der NS-Zeit sowie angrenzender Zeiträume“ zu erforschen und aufzuarbeiten. Der ehemaligen Historischen Forschungsstelle des IRS ist es gelungen, nach Vorstellung ihrer Konzepte vor einer vom BMI/BBSR eingesetzten unabhängigen Historikerkommission zwei dieser Teilprojekte als Drittmittelprojekte zu akquirieren.
Das Teilprojekt 4 „Städtebau und Bestandspolitik 1933-1945“ verfolgt unter der Leitung von Christoph Bernhardt (zusammen mit Harald Bodenschatz) das Ziel, mehrere bislang nur punktuell verbundene Forschungsstränge der historischen Forschung zur NS-Zeit zu verbinden. Dazu zählen die Architektur- und Städtebaugeschichte, hier besonders Forschungen zu Repräsentationsbauten und Großplanungen, die allgemeine Institutionengeschichte des NS-Regimes und die kommunalgeschichtliche Forschung, welche in jüngerer Zeit die häufig treibende Rolle lokaler Verwaltungen und Bevölkerungsgruppen bei Unrechtstaten und Verbrechen thematisiert. Entsprechend strebt das Teilprojekt eine Verknüpfung von architektur- und planungsgeschichtlichen mit politik- und kulturgeschichtlichen Perspektiven auf das Planen und Bauen in der NS-Zeit an.
Entwicklungen, die vorrangig architekturhistorisch und mit Blick auf die Biographien der zentralen Akteure erforscht wurden, wie etwa Repräsentationsbauten, sollen unter dem Blickwinkel des institutionellen Zusammenspiels und der Organisationsgeschichte der wichtigsten Akteure (Kommunen, Gauverwaltungen, Hochschulen) betrachtet werden. Die Entwicklung der Altstadterneuerung und der wenigen in der NS-Zeit neu gebauten Städte soll systematischer als bisher erfasst und in internationale Zusammenhänge (insbesondere Entwicklungen in Italien und der UdSSR) eingebettet werden. Schließlich sollen Vergehen und Verbrechen in den untersuchten Zusammenhängen und Organisationen sowie von konkreten Personen dokumentiert werden. Pläne und Bildmaterial sollen systematisch recherchiert und ausgewertet werden mit dem Ziel einer reflektierten text-bildlichen Darstellung. Die Forschungsergebnisse dieses Teilprojekts sollen in einer Monographie veröffentlicht werden.
Unter der Leitung von Harald Engler (zusammen mit Frank Betker, Universität Aachen) befasst sich das Teilprojekt 11 „Wohnungs- und städtebauliche Weichenstellungen in SBZ und DDR bis 1955“ mit der Transformation der nationalsozialistischen Bau- und Planungspolitik in das neue Politik- und Gesellschaftssysteme der DDR. Dabei geht es darum, die Kontinuitäten und wesentlich häufiger auftretenden Brüche in dieser Entwicklung anhand dreier Untersuchungsfelder geschichtswissenschaftlich zu analysieren: Erstens, anhand des Wandels der institutionellen Rahmenbedingungen, wozu etwa die Organisationsgeschichte von staatlicher Wohnungspolitik, der Wohnungsbau und das Bau- und Planungswesen der DDR mit den Ministerien und obersten Baubehörden zählen; zweitens anhand der relevanten Schlüsselakteure wie etwa Baufunktionären, über die biographische Porträts angefertigt werden; drittens anhand der städtebaulichen und planerischen Leitbilder. Ziel ist es dabei auch, die Genese von Wohnungsbau und -politik in der SBZ/DDR in die deutsch-deutschen und internationalen Zusammenhänge einzubetten. Dabei soll auch untersucht werden, wie z.B. über Großprojekte und Propaganda Versuche einer legitimationsfördernden Konsensstiftung angestellt wurden und wie diese von oben gesteuerten Prozesse in der Bevölkerung auf Resonanz stießen (Stasi-Berichte) und angeeignet wurden (z.B. über Eingaben
Ein Team von drei Historikern, einem Planungsgeschichtsforscher sowie einer Architekturhistorikerin soll beispielsweise analysieren, ob die Annahme zutrifft, dass die DDR im Vergleich zur BRD stärkere Brüche bei den handelnden Personen und den relevanten Leitbildern erlebt hat, oder ob nicht auch für die ostdeutsche Entwicklung partielle Kontinuitätslinien feststellbar sind und wie diese genau ausgeprägt waren. Die Forschungsergebnisse dieses Teilprojektes sollen durch diverse Transferveranstaltungen und Öffentlichkeitsarbeit bekannt gemacht und in einer Monografie publiziert werden.