30. August | 2023

Interview zur Innovativen Hochschule „Innovation Hub 13“ mit Sarah Schneider

Wie kann man sich Ihre Arbeit in „Innovation Hub 13“ vorstellen und wie kamen Sie überhaupt dazu?

Ich habe an der TU Berlin Ingenieurwesen studiert und seit 2016 in einer Forschungsgruppe an der TH Wildau gearbeitet. Als „Innovation Hub 13“ startete, mit der Koordination hier in Wildau, habe ich darin zunächst als Transferscoutin im Bereich Leichtbau gearbeitet, denn das passte zu dem, was ich vorher gemacht habe. 2021 habe ich dann die Koordination übernommen. Das Programm heißt ja „Innovative Hochschule“, es ist also auf Hochschulen ausgerichtet. Mit der Technischen Hochschule Wildau und der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg haben zwei Hochschulen zusammengefunden, und dann kamen noch zwei Fraunhofer-Institute und das IRS dazu.

Es war ein großer Verbund. Wir hatten zehn Teilprojekte, wir hatten die Transferstellen der Einrichtungen und insgesamt 35 Beschäftigte im gesamten Verbund. Wir haben uns die nötige Zeit genommen, um das alles zusammenzubringen, und haben Formate für den Austausch etabliert, auch mit regelmäßigen Treffen. Was mir sehr geholfen hat, war, dass das InnoHub-Team hier in Wildau in den gleichen Räumlichkeiten saß wie die Transferstelle, wobei das bei uns „Zentrum für Forschung und Transfer“ heißt, weil wir das schon immer zusammengedacht haben. So gab es immer Austausch und gemeinsame Know-how-Entwicklung. Aber auch die Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen in den anderen Einrichtungen war sehr professionell und hilfreich für mich. Alle waren eingeschworen auf das Thema.

Welche Kompetenzen brachten die drei nicht-universitären Einrichtungen mit?

Das Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung (IAP) brachte technologische Kompetenzen in einem Bereich mit, in dem auch in den beiden Hochschulen stark sind, nämlich Leichtbau. Fraunhofer-Institute sind aber ohnehin schon sehr stark im Transfer engagiert und haben viele Kontakte mit Unternehmen.

Das Fraunhofer-Zentrum für Internationales Management und Wissensökonomie (IMW) brachte Wissen über Finanzierungsmodelle für Wissenstransfer mit. Es arbeitete aber auch mit dem IRS zusammen an einer Good-Practice-Datenbank. Das IRS hat den Blick auf soziale Innovationen mitgebracht. Das war wichtig, denn wir wollen Transfer ja breiter verstehen, nicht nur als Technologietransfer. Zugleich haben wir aber zwei technische Hochschulen im Verbund, so dass der Schwerpunkt doch auf Technologie lag. Das IRS hat mit seinen Innovation Salons ein Format entwickelt, mit dem man Innovationspotenziale erkennen und die Zivilgesellschaft ansprechen kann. Dadurch wurden mehrere innovative Ideen weiterentwickelt.

Können Sie vielleicht noch einmal zusammenfassen, was die übergreifende Mission von „Innovation Hub 13“ war?

Die zentrale Mission war, eine Entität aufzubauen, die als Schnittstelle fungiert zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit in der Region entlang der A 13 durch Südbrandenburg und Nordsachsen, deswegen hieß es ja „Innovation Hub 13“. Wir wollen Transferpotenziale heben, die in der Region vorhanden sind.

Wir wollen Akteure miteinander verbinden, Innovationen vorantreiben und die Weiterentwicklung der Region damit unterstützen. Das soll schneller und proaktiver passieren, als es bisher möglich war. Es gab ja auch vorher schon Transferstellen in den Hochschulen, aber die reagieren überwiegend auf Anfragen von außen. Deswegen sind im Rahmen von „InnoHub 13“ die Stellen für Transferscouts so wichtig. Das sind Leute, die aktiv in die Region gehen und nach Problemen und Potenzialen suchen und sie mit den Kompetenzen in den Forschungseinrichtungen verbinden. Es ging darum, die wissenschaftlichen Infrastrukturen, die schon da sind, besser zu nutzen und die vorhandenen Kompetenzen besser sichtbar zu machen, auf analogem und digitalem Weg, so dass Unternehmen und Gesellschaft davon profitieren können.

Warum sollten sich Hochschulen überhaupt so regional fokussieren und engagieren?

Die Fragen der Zeit kann die Forschung nicht mehr im Elfenbeinturm beantworten, sondern es ist wichtig, frühzeitig mit der Gesellschaft in Austausch zu kommen, Bürgerinnen und Bürger in wissenschaftliche Fragestellungen zu involvieren. So entsteht auch mehr Sichtbarkeit für Forschung und Transfer. Die regionale Hochschule ist oft die erste Anlaufstelle für Unternehmen oder gesellschaftliche Akteure. Die Bürger müssen irgendwo ihre Fragen stellen können. Und Transfer ist keine Einbahnstraße, er lebt auch davon, dass Impulse von außen in die Hochschule kommen. Hochschulen sollten deshalb verstehen, was die speziellen Problemlagen in ihrer Umgebung sind. Darüber hinaus bilden Hochschulen Fachkräfte aus, die oft in der Region bleiben. Die Lehre ist also auch nicht losgelöst von den Herausforderungen in der Region. Wir an der TH Wildau wollen eine ganz stark regional engagierte Hochschule sein, und auch die BTU will das, was sich ja unter anderem daran zeigt, dass die BTU Cottbus vor zehn Jahren mit der FH Lausitz fusionierte, um ein wissenschaftlicher Ansprechpartner in der Region zu sein. Sie kennen auch sicher das Konzept der „Regionalen Präsenzstellen“. In Brandenburg gibt es neun gemeinsame Präsenzstellen der Brandenburger Hochschulen, wo es zum Beispiel Räume für Veranstaltungen, Coworking Spaces und Experimentierräume gibt, so dass die Hochschulen in der Fläche präsenter sind und es mehr Kontaktmöglichkeiten mit Unternehmen und der Zivilgesellschaft gibt. Das alles heißt aber natürlich nicht, dass Hochschulen sich nur auf die Region fokussieren sollen. Wissenschaft braucht die überregionale Vernetzung.

Wenn wir uns die Projektregion ansehen: Welche Herausforderungen sehen Sie da, und wie werden sie von „Innovation Hub 13“ adressiert?

Unsere Region ist sehr spannend, ziemlich groß und ländlich geprägt im Vergleich zu den meisten anderen Vorhaben, die aus „Innovative Hochschule“ gefördert werden. Die ganze Energiewende- und Kohleausstiegsproblematik ist hier schon sehr zentral, aber eingebettet in weitere Problemlagen: Wegzug aus den ländlichen Räumen, Generationenwechsel und Nachfolgeprobleme in Betrieben, viele kleine Unternehmen, die sich keine eigene Forschung und Entwicklung leisten können. Wir haben am Anfang drei Themengebiete ausgeflaggt: Leichtbau, Life Sciences und Digitale Integration. In diesen Gebieten sind die beteiligten Hochschulen in der Forschung gut und vor allem ähnlich gut aufgestellt. Leichtbau ist ein wichtiger Baustein für Nachhaltigkeit in der Konstruktion, in der Energieversorgung und so weiter. Life Science umfasst alles von neuen Nahrungsmitteln bis zu Innovationen in der Medizin und Gesundheitsversorgung, was ja gerade im ländlichen Raum ein großes Thema ist. Und Digitale Integration ist ohnehin als Querschnittsthema in aller Munde. In diesen Gebieten haben wir das Transferscouting als Herzstück von „InnoHub 13“ etabliert, um Unternehmen zu befähigen und zu vernetzen.

Als unser Verbund 2018 startete, gab es das Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen von 2020 noch nicht, über das dann umfangreiche Mittel zur Verfügung gestellt wurden. Wir waren sozusagen ein frühes Experiment in der Region. Am Anfang war uns dabei noch nicht klar, wie wichtig Kommunikation sein würde, um von der Forschung wirklich zum Transfer zu kommen. Denn es ging ja darum, „Innovation Hub 13“ als Marke, als Entität in der Region zu etablieren. In diesem Bereich haben wir nachgesteuert und die Kommunikationsaktivitäten etwa ab 2021 ausgeweitet. 2022 startete ein bürgerwissenschaftliches Projekt, in dem Bürger*innen – selbst gebaute – Sensoren an ihre Fahrräder gebaut und dann beim Fahren den Abstand zu überholenden Autos gemessen haben. Wir hatten eine Stelle für eine Citizen Science-Scoutin, die solche Projekte vorangetrieben hat. Bei der Ansprache von Unternehmen haben wir auch eng mit der Wirtschaftsförderung Brandenburg (WFBB) zusammengearbeitet und beispielsweise gemeinsame Veranstaltungen organisiert. Gemeinsam mit dem brandenburgischen Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur haben wir einen digitalen Kompetenzatlas für den Bereich Künstliche Intelligenz entwickelt.

Können Sie einen Überblick über die Transferformate geben, die Sie genutzt haben? Was hat funktioniert, was nicht so?

Wir haben sehr viele verschiedene Formate ausprobiert. Was sehr gut funktioniert hat, ist zum Beispiel das Netzwerkformat InnoMix. Dabei sucht man sich als Transferscout für ein bestimmtes Thema gezielt Fachleute aus, zum Beispiel zehn aus der Forschung und zehn aus Unternehmen, und bringt sie an einen Tisch. Es gab etwa einen InnoMix zum Thema Wasser, weil die Transferscouts beobachtet haben, dass in der Region aus verschiedenen Perspektiven, beispielsweise Life Sciences, zum Thema Wasser gearbeitet wird. Rund um dieses Thema wird dann nach Bedarfen und Kompetenzen gesucht, es gibt also ein gezieltes Matching. Das funktionierte für den Transfer deutlich besser als eine Veranstaltung, zu der breit eingeladen wird. Besonders hilfreich ist es, so ein Event an einen Förderaufruf zu koppeln. Dann kann man gezielt Ideen tracken, Use Cases identifizieren, und irgendwann wird ein Förderantrag daraus. Als Grundlage dafür war wichtig, dass die Scouts sich gleich zu Beginn einen Überblick verschafft hatten, was an den Forschungseinrichtungen für Kompetenzen vorhanden sind. Was nicht so gut funktioniert hat, war ein Format, bei dem wir versucht haben, verschiedene Fachbereiche innerhalb der Hochschule in entspannter Atmosphäre einfach zusammenzubringen, ohne bestimmtes Thema, damit man mitbekommt, was auf der anderen Seite der Wand passiert. Wir haben gemerkt, dass nur dann wirklich eine Dynamik entsteht, wenn man einen thematischen Fokus hat. Wichtig sind für uns auch Formate, mit denen die Forschung sichtbar gemacht wird, einmal auf analogem Weg. Wir haben öffentlich zugängliche Showrooms geschaffen, wo man vor Ort die Forschung erleben kann, über Exponate und Ausstellungen, und wo auch direkt Bedarfe artikuliert werden können. An der TH Wildau haben wir unsere „ScienceBox“ aufgebaut, das ist ein Container-Bau. An der BTU haben sie den Showroom als „Science Gallery“ in die Bibliothek integriert, die ja ein sehr ikonischer Bau ist. Diese Angebote werden noch nicht so stark angenommen, wie es zu wünschen wäre, aber gerade in Kombination mit Veranstaltungen wird hier schon Interesse generiert. Zweimal haben wir unter dem Titel InnoX auch richtig große Veranstaltungen organisiert, eine Zukunftskonferenz 2019 und ein mehrtägiges hybrides Festival zu Wissenschaftskommunikation 2021.

Genauso wichtig waren aber Aktivitäten, um Potenziale digital sichtbar zu machen. Wir haben für die drei Themengebiete das InnoRadar erstellt, also ein Technologieradar, das zeigt, zu welchen Fragestellungen und in welchem Reifegrad in der Region gearbeitet wird – wozu gibt es Grundlagenforschung, was wird gerade getestet, was ist schon in der Nutzung? Wir haben auch mit 3D-Kameras sogenannte VR-Rundgänge durch unsere Labore erstellt, mit dem man online sehen kann, was für Geräte bei uns vorhanden sind und welche davon von Externen genutzt werden können. Dafür wurde die IT-Infrastruktur der TH Wildau genutzt und nachhaltig verstetigt.

 

Was haben Sie im Rückblick mit der Innovativen Hochschule erreicht?

Es ist schwierig, wirklich einzuschätzen, was wir in der Region erreicht haben; was wir geschafft haben, das ohne uns nicht passiert wäre. Aber wir haben uns von Anfang an intensiv mit Indikatorik und Wirkungsmessung beschäftigt. Man kann zum einen die reinen Zahlen betrachten, die wir gerade in einem Abschlussbericht für die Mittelgeber zusammengefasst haben: Wir haben eine bestimmte Zahl von Unternehmenskontakten hergestellt, eine bestimmte Zahl von Menschen auf Veranstaltungen erreicht, von neuen Transferideen auf den Weg gebracht, Förderanträgen gestellt, neuen Mitteln eingeworben. Diese Dinge lassen sich zählen, und hier waren wir durchaus erfolgreich: Wir haben fast 200 Ideen entwickelt und über 100 Transferfälle dokumentiert.

Nicht so leicht zählen lassen sich die Erfahrungen, die entstanden sind. Nehmen wir das schon genannte Citizen Science-Projekt „Zu nah? – Mit Abstand mehr Sicherheit!“: Die Forschenden haben Daten gewonnen, die zu Publikationen führen, die Teilnehmenden haben vielleicht gelernt, welche Straßen sicherer sind als andere. Aber der ganze Weg dahin, die Frage wo man die Sensorteile herbekommt, wie man diese Forschung mit den Bürgern organisiert und so weiter, das fiel ja nicht vom Himmel. Die Citizen Science-Scoutin hat hier etwas Neues geschaffen und Kompetenz aufgebaut.

Wir haben vor allem viel experimentiert, ausprobiert und getestet, auch neue Transferformate und -ansätze. Als neues Instrument für die Wirkungsmessung entstand beispielsweise der Impact Canvas, an dem auch das IRS und das IMW beteiligt waren. Das ist ein Instrument, mit dem man Impact von Transferprojekten strategisch aufbauen und dokumentieren kann. Alles, was wir gelernt haben, haben wir sehr offen kommuniziert, über unsere Veranstaltungsreihe InnoTalk, in sozialen Medien, in einer eigenen Working Paper-Reihe und über unseren Blog. Wir haben sozusagen einen Open Source- Ansatz verfolgt, und das wurde etwa in der Community der aus „Innovative Hochschule“ geförderten Verbünde sehr deutlich wahrgenommen.

Was bleibt nun von „InnovationHub 13“ und wie kann das Erreichte verstetigt werden?

Wir haben versucht in der zweiten Runde des Programms „Innovative Hochschule“ weitere Förderung einzuwerben, aber das ist leider nicht gelungen. Wir versuchen außerdem im Rahmen anderer Förderprogramme, auch der Strukturförderung für Kohleregionen, Mittel zu beantragen. Hauptsächlich geht es jetzt aber darum, die gemachten Erfahrungen in den Strukturen der Hochschulen zu verankern. Hier an der TH Wildau, wo die Transferscouts und das Zentrum für Forschung und Transfer unter einem Dach zusammengearbeitet haben, wurde das Transferscouting jetzt in das Zentrum integriert. Dafür wurden zwei zusätzliche Stellen geschaffen. Darin drückt sich die Erkenntnis aus, dass das Transferscouting eine wichtige Funktion erfüllt. Für Forschende ist Transfer nicht immer attraktiv, da geht es aus deren Sicht oft um banale Dinge: Die Unternehmen müssten einfach nur den Stand des Wissens anwenden. Aber auch dafür brauchen sie jemanden, der ihnen erzählt, was es alles gibt. Angesichts des Zeitdrucks bei Lehre, Forschung und Publikationen kann ich nicht erwarten, dass Wissenschaftler*innen das regelmäßig machen. Hier braucht man diese Vermittler- Position, die die Transferscouts eingenommen haben. Die Transferscouts haben auch eine Kümmerer-Rolle. Sie identifizieren Potenziale, sie stellen Kontakte her, tragen Dinge an die Forschenden heran. Sie bleiben aber auch am Ball, fragen nach und sorgen dafür, dass ein Kontakt nicht abbricht. Insofern hoffe ich, dass in der Politik und in den Hochschulleitungen wahrgenommen wird, was Transferscouts leisten, und dass weitere Finanzierung nötig ist.

Hier an der TH Wildau spielt außerdem das Thema Wissenschaftskommunikation jetzt eine größere Rolle, auch das ist ein Ergebnis von „InnoHub 13“. Sie ist jetzt eine von vier Säulen des Zentrums für Forschung und Transfer. In diesem Rahmen wird die Science Box fortgeführt. Von den Innovativen Hochschulen der ersten Förderrunde hat ja fast keine eine Anschlussfinanzierung erhalten, und typischerweise können die angestoßenen Aktivitäten vielleicht im Umfang einer halben Stelle fortgesetzt werden. Gemessen daran sind wir hier gut aufgestellt.

Die BTU  Cottbus-Senftenberg hat das Transferscouting auf viele andere Projekte übertragen, beispielsweise zum elektrischen Fliegen. An der BTU stehen zurzeit ohnehin umfangreiche Mittel für Transfer zur Verfügung, so dass Transferaktivitäten entsprechend ausgebaut werden. Es entstehen auch neue Immobilien wie der Lausitz Science Park, wo dann auch ein proaktiveres Herangehen im Transfer verankert werden wird.

Vielen Dank für das Gespräch!

Interview

Referent für Wissenschaftskommunikation