Interview mit Dr. Hanna Sommer

Frau Sommer, Sie haben bis Ende 2012 im IRS gearbeitet. Wo sind Sie jetzt tätig?

Ich arbeite beim Deutschen Städtetag, dem größten kommunalen Spitzenverband, als Referentin.

Mit welchen Themen und Aufgaben befassen Sie sich dort gerade?

Aktuell bin ich vor allem mit Fragen der Digitalisierung der Verwaltung, insbesondere in Großstädten, befasst. Hier geht es hauptsächlich darum, Gesetzgebungsverfahren im Bereich E-Government, Open Data und Open Government aus kommunaler Sicht zu begleiten und die kommunale Perspektive und Interessenlage einzubringen. Außerdem beschäftige ich mich mit Themen der Kommunalstatistik, hier ist der kommende Zensus 2021 für die Städte ein großes Thema.

Wie würden Sie Ihre Entwicklung nach Ihrer Zeit im IRS beschreiben? Gab es bestimmte Phasen, die Sie im Nachhinein erkennen?

Ich bekam 2013 die Chance, vom IRS in ein Planungsbüro zu wechseln und dort die angewandte Seite von Stadtentwicklung kennen zu lernen. Das war ein lehrreicher Wechsel. Ich hatte plötzlich eine völlig andere Perspektive auf Entwicklungen, auf Akteure und Strukturen. Vieles, was ich bislang aus der Theorie und von der analytischen Ebene her kannte, wurde buchstäblich greifbar. Rückblickend kann ich sagen, dass ich durch diesen Wechsel Prozesse in der Stadtentwicklung erst richtig durchdrungen habe. Mit dem Wechsel zum Deutschen Städtetag kam dann die politische Ebene dazu – auch wieder eine neue Welt.

Was fällt Ihnen als Erstes ein, wenn Sie an Ihre Zeit im IRS zurückdenken? Was war hier Ihre wichtigste Lernerfahrung?

Zuerst denke ich an meine Kolleginnen und Kollegen, die mir großes Vertrauen entgegen gebracht haben, deren Gegenwart für mich eine Bereicherung war und mit welchen die Arbeit am IRS große Freude gemacht hat! Aus einigen sind über die Jahre Freunde geworden. Und alle sind für mich eng verbunden mit beachtlichen Expertisen zu Fachthemen. Ich denke auch an spannende Interviews an spannenden Orten, die wir gemeinsam im Rahmen von IRS-Forschungsprojekten geführt haben und an immer produktive und überaus lehrreiche aber auch harte und manchmal erbitterte Diskussionen zu einzelnen Fragestellungen. Und ich denke an die Vielzahl der Fachdisziplinen meiner Kolleginnen und Kollegen am IRS, die einem die Augen für andere Blickrichtungen und Denkweisen geöffnet haben.

Wie nehmen Sie das IRS aus der Ferne und mit Ihrem heutigen Abstand wahr?

Heute nehme ich das IRS als Ort wahr, an dem hochwertige Forschung zu Fragen betrieben wird, die ich jetzt aus einem anderem Blickwinkel heraus betrachte und wo mit großem persönlichem Engagement gearbeitet wird. Dazu kommt eine große Freiheit bei der Arbeit, bei der Operationalisierung von Fragestellungen, bei Theorie und Methodik. So zu arbeiten ist für mich rückwirkend ein großes Privileg gewesen – weitgehend frei von ökonomischen Gegebenheiten und politischem Willen, der Wissenschaft und dem Erkenntnisgewinn verpflichtet.

Welche Themen sehen Sie in den nächsten Jahren im Feld der raumbezogenen Sozialforschung?

Mit meinem aktuellen Blick sehe als großes Thema die Veränderung des sozialen Zusammenlebens in Städten und ländlichen Räumen durch die Digitalisierung. Welche neuen Möglichkeiten zur Partizipation und politischen Teilhabe werden dadurch eröffnet? Wie wandeln sich Informations- und Kommunikationsprozesse, wie verändern sich Debattenkulturen, wo liegen die Potenziale und Gefahren von Open Data? Verschärft sich soziale Ungleichheit durch die Abkopplung nicht vernetzter Räume und von Teilen der Gesellschaft? Eine ganz große Frage ist auch die der Datensicherheit in den Kommunen. Wie sicher sind städtische Netze, wie kann man sie schützen, wie passt die Notwendigkeit von Sicherheit zusammen mit höchst möglicher Freiheit von Datennutzern? Wie werden deutsche Städte smart und wie können sie den Anschluss an die Digitalmoderne schaffen?

Welche Karriere-Strategie raten Sie dem heutigen IRS-Nachwuchs? Können Sie bestimmte Vorgehensweisen empfehlen?

Aus meiner Sicht kann es ratsam sein, seine fachliche Ausrichtung auch mal zu ändern oder zumindest etwas umzulenken. Auch fachlich und persönlich gewinnbringend ist – zumindest war es das für mich – ein Perspektivenwechsel auf andere Ebenen: Wirtschaft, Politik, Beratung oder Lehre. Ich denke aber, so richtig planbar im Sinne einer Strategie ist eine Karriere nicht unbedingt. Oft kommen die Dinge doch anders.

Was ist also Ihrer Meinung nach die wichtigste Voraussetzung für beruflichen Erfolg, wenn man sich im Feld der raumbezogenen Sozialforschung behaupten möchte?

Offenheit für neue Perspektiven, auch mal Aufgaben wahrnehmen, die auf den ersten Blick nicht ins Schema passen, Beharrlichkeit, sich selbst mit seinen Ideen artikulieren und Gegenwind aushalten.

Und was machen Sie, wenn Sie gerade nicht arbeiten? Welche Leidenschaften haben Sie?

Dann bin ich für meine Familie und Freunde da und treibe möglichst viel Sport.

Was wünschen Sie dem IRS-Team für die kommenden fünf Jahre?

Weiterhin Freude bei der Arbeit, viele gute Ideen und einen scharfen Blick – auch über den Tellerrand.

Liebe Frau Sommer, haben Sie vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Gerhard Mahnken.