Leitprojekt

Zuwanderung: Governance-Dilemmata von Städten

Forschungsschwerpunkt: Politik und Planung

Forschungsthemen: Formen und Implikationen raumbezogener Governance Innovationsprozesse in raum-zeitlicher Perspektive

Projektleitung im IRS: Dr. Manfred Kühn

Projektteam: PD Dr. Matthias Bernt Dr. Laura Calbet Elias Gala Nettelbladt

Laufzeit: 01/2019 - 12/2021

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Fragen der Zuwanderung haben aktuell besonders auf der lokalen Ebene einen hohen Stellenwert erlangt. Die Fluchtmigration der letzten Jahre hat zu neuen Aushandlungsprozessen in der Stadtpolitik geführt. Auf nationaler Ebene wird über einen Wandel von Deutschland zu einem Einwanderungsland diskutiert und ein neues Zuwanderungsgesetz soll legale Wege der Arbeitsmigration ermöglichen. Gleichzeitig ist Migration zu einem zentralen Mobilisierungsfeld neuer rechter Parteien und Bewegungen geworden. Diese veränderten Bedingungen führen für kommunale Entscheidungsträger*innen zu einer Vielzahl von neuen Herausforderungen und Dilemmata: Sie sehen sich mit Migrationsdynamiken konfrontiert, die lokal nicht zu steuern sind, deren Auswirkungen aber auf lokaler Ebene bewältigt werden müssen. Die überwiegend migrationsfreundliche Haltung lokaler Wirtschaftseliten trifft mitunter auf migrationskritische oder -feindliche Haltungen in Teilen der Bürgerschaft. Schließlich wird die Herausbildung sogenannter „Ankunftsquartiere“ in Städten unter Integrationsgesichtspunkten kontrovers beurteilt.

In diesem Forschungsprojekt sollen die stadtpolitischen Aushandlungsprozesse im Umgang mit internationaler Migration untersucht werden. Untersuchungsleitend ist dabei die These, dass auf Grund der starken Politisierung und Polarisierung des Themas in sich widersprüchliche Handlungsansätze verfolgt werden, und dass die starke Beschleunigung der politischen Auseinandersetzung zum Thema Migration eine ernste Herausforderung für auf Langfristigkeit angelegte Planungspolitiken darstellt. Konkret sollen drei Fragenkomplexe bearbeitet werden. Erstens soll untersucht werden, welche pro-aktiven Handlungsansätze zur Steuerung der Zuwanderung Städte entwickeln und welche Spielräume sie dabei haben. Zweitens soll untersucht werden, welche migrationsbezogenen Konflikte entstehen und wie diese in der Planungspolitik der Städte ausgetragen werden. Drittens soll der stadtpolitische Umgang mit Segregation und „Ankunftsquartieren“ untersucht werden.

Empirisch stützt sich das Projekt auf eine explorative Studie in der Mittelstadt Cottbus. Die strukturschwache Stadt ist auf Zuwanderung angewiesen – Ziel der Stadtpolitik ist es, die Großstadt-Marke von 100.000 Einwohner*innen zu halten. Die Fluchtmigration ist in Cottbus in hohem Maße politisch umstritten und hat zu einem Zuzugs-Stopp in der Zuweisung von Geflüchteten geführt. Der Stimmenanteil der rechtspopulistischen AfD ist überdurchschnittlich. Gleichzeitig verfügt die Stadt mit der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg über eine standortprägende „kosmopolitische“ Bildungsinstitution. Zugleich verstärken sich in einigen bereits sozial benachteiligten Großwohnsiedlungen die Segregationsprozesse. Dies führt zu neuen Aufgaben in der Stadtentwicklungspolitik.

Fotos: IRS/Transferstelle Stadtumbau Ost; Cottbus Zentrum – Sunibla (Own work)/CC BY-SA 3.0/commons.wikimedia.org; Alexandru Giurca (Own work)/Public Domain/commons.wikimedia.org; Fußgängerzone Cottbus Clemensfranz (Own work)/CC BY-SA/commons.wikimedia.org; Universitätsbibliothek Cottbus – Alexandru.giurca (Own work)/Public Domain/commons.wikimedia.org;

Aktuelles
24. September | 2020

Durch die soziale Polarisierung und Pluralisierung unserer Gesellschaft nehmen Konflikte in der Planung zu. Es gibt heute kaum ein Projekt, gegen das nicht protestiert wird. Bekannte Beispiele sind Stuttgart 21, die Bebauung des Tempelhofer Feldes in Berlin, Bürgerinitiativen gegen Windkraft - und aktuell auch die besagte Tesla-Ansiedlung in Grünheide in Brandenburg. Wie kann Planung mit diesen Konflikten umgehen? Die agonistische Planungstheorie sieht Konflikte in einer pluralistischen Demokratie als immanent an und betrachtet sie als Motoren für Wandel. Ein neues Paper von Manfred Kühn, das nun in der renommierten Zeitschrift Planning Theory erschienen ist, setzt sich kritisch mit der agonistischen Planungstheorie auseinander und beschreibt einige Dilemmata, die sich in der Planungspraxis daraus ergeben. mehr Info

Publikationen

Kühn, M. (2021). Agonistic Planning Theory Revisited: The Planner’s Role in Dealing with Conflict. Planning Theory, 20(2), 143-156. https://doi.org/10.1177/1473095220953201
Marcinczak, S., & Bernt, M. (2021). Immigration, Segregation and Neighborhood Change in Berlin. Cities, 119, [103417]. https://doi.org/10.1016/j.cities.2021.103417
Nettelbladt, G. (2021). Disrupting Dialogue? The Participatory Urban Governance of Far-right Contestations in Cottbus. Urban Planning, 6(2), 91-102. https://doi.org/10.17645/up.v6i2.3793
Nettelbladt, G. (2021). Ambivalent Healing: Notes on the Idea of Therapeutic Urban Planning in Times of Far-right Mobilisation. Engagée, (10), 59-64.
Nettelbladt, G. (2023). From Scandalization to Normalization: Conceptualizing the Mainstreaming of Far-right Contestations in Participatory Processes. European Planning Studies, 31(8), 1575-1593. https://doi.org/10.1080/09654313.2022.2072682
Kühn, M. (2022). Raumbezogene Migrationspolitiken: Steuerung der Einwanderung in periphere Regionen. Migration und Soziale Arbeit, 44(2), 137-144. https://doi.org/10.3262/MIG2202137
Nettelbladt, G. (2024). Negotiating Counterstrategies Against the Far Right in Cottbus, Germany: Shifting Relations between the State and Civil Society. Territory, Politics, Governance. https://doi.org/10.1080/21622671.2023.2209126