Ludwigsfelde zwischen Industriekombinat und Gewerbeparks. Sozialräumliche Transformation der Wirtschaft einer Stadt im Berliner Umland (1980er-2000er)
Forschungsschwerpunkt: Zeitgeschichte und Archiv
Projektleitung im IRS: Liselore Esther Durousset
Laufzeit: 02/2022 - 01/2026
Im Rahmen des Leitprojekts „Sozialräumliche Transformationen in Berlin-Brandenburg 1980-2000“ des Forschungsschwerpunkts III führt Liselore Durousset ein Promotionsvorhaben zum Arbeitspaket Wirtschaft durch. In ihrer Dissertation untersucht sie, inwiefern der Systemwechsel sich auf die Planung und Praxis der wirtschaftsräumlichen Entwicklung auswirkte. Zu diesem Zweck wählte sie Ludwigsfelde als Fallbeispiel.
Die industrielle Bedeutung von Ludwigfelde begann 1936 mit dem Bau eines Daimler-Benz-Flugzeugmotorenwerks, das nach dem Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört und demontiert wurde. 1952 wurde dort der „VEB Industriewerke Ludwigsfelde“ (IWL) gegründet, der dann als „VEB IFA-Automobilwerke Ludwigsfelde“ umgestaltet und 1978 zum Stammbetrieb des neu gegründeten „IFA-Kombinats Nutzkraftwagen“ aufgewertet wurde. Auch Ludwigsfelde entwickelte sich schrittweise bis 1989 von einem kleinen Industrieort zu einer immer größeren, für die DDR-Raumplanung typischen, monostrukturellen Industriestadt. In den 1990er-Jahren mussten sowohl Stadt als auch Unternehmen die Herausforderungen der neu eingeführten Marktwirtschaft überwinden. Das Industriegebiet wurde infolge der Privatisierung des IFA aufgespalten. Gleichzeitig entstanden in kurzer Zeit aufgrund der als günstig gesehenen Lage am Berliner Autobahnring im Umland der wiedervereinigten Hauptstadt mehrere großflächige neue Gewerbegebiete. Am Anfang der 2000er-Jahre wurde die Stadt für ihre besonders rasche wirtschaftsräumliche Entwicklung als „die Boomtown schlechthin“ in Ostdeutschland bezeichnet. Wie diese sozialräumlichen Transformationen der Wirtschaft verlaufen sind und wie das langfristig zu deuten ist, wird diese Arbeit zeigen.
Die Analyse basiert auf der Gegenüberstellung der Diskurse unterschiedlicher individueller wie institutioneller Akteursgruppen über diese Räume mit den realen räumlichen Entwicklungen der Unternehmenslandschaft in der Stadt. Neben einer historischen Quellenanalyse und der Anwendung von Oral History-Methoden wird eine Wirtschaftstopographie des damaligen Zustandes mit Hilfe eines GIS-Programms rekonstruiert, visualisiert und anhand einer sozialräumlichen Strukturanalyse untersucht. Damit wird es möglich sein, damalige Verflechtungen, Handlungsspielräume der jeweiligen Akteur*innen sowie Ko-Transformationen zwischen Berlin und seinem Brandenburger Umland zu erkennen. Ziel der Arbeit ist es, langfristige Prozesse von transformationsbedingten Brüchen und Kontinuitäten zu unterscheiden, die Entwicklung der Machtverhältnisse und ihre Wirkung im Raum zu verstehen, die Industrie- und Gewerbegebiete zu historisieren sowie die Narrative aus dieser und über diese Zeit zu reflektieren.