Leitprojekt

Kritische Infrastrukturen. Die politische Konstruktion, Räumlichkeit und Governance von Kritikalität

Forschungsschwerpunkt: Politik und Planung

Forschungsthemen: Räumliche Pfadentwicklung und institutioneller Wandel Formen und Implikationen raumbezogener Governance Neue Unsicherheiten und Resilienzbildungen

Projektleitung im IRS: Dr. Elisa Dorothea Kochskämper

Projektteam: Prof. Dr. Kristine Kern Felicitas Klemp Dr. Wolfgang Haupt

Laufzeit: 01/2019 - 12/2021

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Ziel des Leitprojekts war es, die politische Konstruktion und die Governance kritischer Infrastrukturen im Zusammenhang mit ihrer Räumlichkeit zu verstehen. Infrastrukturen werden zunehmend im Hinblick auf ihre Anfälligkeit für Störungen und die daraus resultierenden Sicherheitsrisiken betrachtet. Politische Ressourcen werden darauf verwendet, „kritische Infrastrukturen“ wie etwa Wasserversorgungs- und Energienetze angemessen zu sichern.
Doch welche Infrastrukturen gelten als kritisch und warum? Die Wahrnehmung und Governance von Infrastrukturen sind insbesondere für Städte durch ihre hohe Konzentration an Menschen, Infrastrukturen, ökonomischen und kulturellen Gütern relevant. Zum einen können lebenswichtige Infrastrukturen, etwa Verkehr, Wasserversorgung und Kanalisation, durch Extremwetterereignisse wie Dürren, Stürme und Überflutungen überfordert oder geschädigt werden. Bislang ist die raumbezogene politische Konstruktion von Infrastrukturkritikalität noch wenig erforscht. Das Leitprojekt soll an dieser Forschungslücke ansetzen.

Infrastrukturen stehen zeitlich in einem Spannungsfeld zwischen schleichenden Prozessen, etwa mangelnde Instandhaltung oder Klimaerwärmung, und disruptiven Einzelereignissen wie Cyberattacken oder extremen Wetterereignissen. Darüber hinaus stehen Infrastrukturen in einem relationalen Verhältnis zu organisierten Praktiken ihres räumlichen Umfelds – sie sind in den jeweiligen Kontext sozial und materiell eingebettet. Dementsprechend dient urbane Resilienz, welche auf derartige Ereignisse vorzubereiten versucht, als ein Untersuchungsfeld. Werden Strategien der Resilienz, welche zeitliche Dynamiken beinhalten, in politischen Diskursen und institutionellen Regelungen wiedergegeben? Darüber hinaus wird Digitalisierung zunehmend als Möglichkeit gesehen, urbanen, komplexen Problemen als Instrument für eine flexiblere Steuerung von Infrastrukturnetzen zu begegnen. Andererseits stellt Digitalisierung eine neue Unsicherheitsquelle durch die mögliche Anfälligkeit der IT-Sicherheit von Infrastrukturen dar. Beides wirft insbesondere Fragen für Smart-City-Projekte auf, welche digitalisierte, effizientere Formen der Steuerung und Nutzung von Versorgungs- und Ressourcennetzwerken zum hauptsächlichen Zielt haben. Im Zentrum der Forschung steht die Frage: Wie gestaltet sich die Wahrnehmung und Governance kritischer Infrastrukturen in den untersuchten Handlungsfeldern? Zu diesem Zweck beforschen wir einerseits die Städtestrategien des transnationalen Netzwerks der 100 Resilient Cities. In diesem waren teilnehmende Städte aufgefordert, resiliente Maßnahmen mit ihren potenziell dringendsten Schocks und systemischen Belastungen zu verbinden. Welche Vorstellungen von urbaner Resilienz und Kritikalität prägen die Strategien? Andererseits nehmen wir Digitalisierungsprojekte in Deutschland in den Blick. Welche Dynamiken ergeben sich aus der Digitalisierung von kritischen, urbanen Infrastrukturen? Durch wen (Akteur*innen, Akteurskonstellationen), was (Leitbilder, Raum- und Zeitdimensionen) und wie wird die Planung digitalisierter Infrastrukturen beeinflusst?

Um diesen Fragestellungen zu begegnen, kamen im Leitprojekt die Methoden der Institutionenanalyse, Diskursanalyse, Dokumentenanalyse, qualitativer Indikatorentwicklung und qualitativen Interviews zur Anwendung. Die Ergebnisse zeigen, dass in den urbanen Resilienzstrategien Kritikalität durch einen eigenen Analyserahmen in Form von Dringlichkeit definiert wird, jedoch vor allem mögliche, schleichende Stressoren des urbanen Lebens im sozialen Bereich gesehen werden, wie z.B. durch Armut und Wohnungsmangel. Digitalisierung wird zwar mit kritischen Infrastrukturen auf der kommunalen Ebene assoziiert, aber potenzielle Cyberattacken finden in der Umsetzung kaum Beachtung.

Fotos: urbans78/stock.adobe.com

Aktuelles
07. März | 2024
Städte im „Globalen Süden“ denken transformativer

Städte müssen sich gegen Bedrohungen wie Hitzewellen und Überschwemmungen wappnen, also: resilienter werden. Doch es gibt verschiedene Arten, über Resilienz nachzudenken. Ein neuer Fachartikel nimmt Städte in den Blick, die sich in einem globalen Netzwerk für Resilienz engagieren und vergleicht dabei Städte des "Globalen Norden" und des "Globalen Südens". Das Ergebnis: Es gibt viele Ähnlichkeiten. Unterschiede zeigen sich aber dabei, ob Resilienz eher als Verteidigung des Status Quo verstanden wird oder als Weg der Transformation. mehr Info

Publikationen

Coppola, A., Crivelli, S., & Haupt, W. (2020). Urban Resilience as New Ways of Governing: The Implementation of the 100 Resilient Cities Initiative in Rome and Milan. in A. Balducci, D. Chiffi, & F. Curci (Hrsg.), Risk and Resilience: Socio‐Spatial and Environmental Challenges (S. 113-136). (PoliMI SpringerBriefs). Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-030-56067-6_8
Haupt, W. (2022). The Sustainable and the Smart City: Distinguishing Two Contemporary Urban Visions. in R. C. Brears (Hrsg.), The Palgrave Encyclopedia of Urban and Regional Futures (S. 1722-1735). Palgrave Macmillan. https://doi.org/10.1007/978-3-030-51812-7_177-1
Kochskämper, E., Glass, L-M., Haupt, W., Malekpour, S., & Granger-Brown, J. (2024). Resilience and the Sustainable Development Goals: A Scrutiny of Adaptation Strategies in the 100 Resilience Cities Initiative. Journal of Environmental Planning and Management. https://doi.org/10.1080/09640568.2023.2297648