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3D-Rekonstruktionen von „Zwangsräumen“
Online-Ausstellung zeigt antisemitische Wohnungspolitik während des Zweiten Weltkriegs
Zwischen 1939 und 1945 wurden zahlreiche jüdische Familien vor ihrer Deportation in Wohnungen eingewiesen, in denen bereits andere jüdische Familien lebten. Eine Online-Ausstellung des Aktiven Museums in Berlin widmet sich diesen zwangsweise überbelegten Wohnungen. Drei der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Häuser mit solchen „Zwangsräumen“ wurden durch Mitarbeiter*innen des IRS digital rekonstruiert.
Seit Anfang 2023 haben Mitarbeiter*innen des Forschungsschwerpunktes „Zeitgeschichte und Archiv“ des IRS gemeinsam mit dem Verein „Aktives Museum - Faschismus und Widerstand in Berlin e.V.“ sowie der Stiftung Stolpersteine Berlin eine Ausstellung vorbereitet. Die im Oktober 2023 feierlich eröffnete Online-Ausstellung „Zwangsräume“ betrachtet die antisemitische Wohnungspolitik in Berlin zwischen 1939 und 1945. Darin werden die Wohnungen und Häuser untersucht, in die jüdische Personen vor ihrer Deportation umziehen mussten. Mehr als die Hälfte der jüdischen Bewohnerinnen und Bewohner Berlins wurden vor ihrer Deportation aus ihren eigenen Häusern in andere, bereits bewohnte Wohnungen zwangsumgesiedelt. Diese Wohnungen werden in der Ausstellung als „Zwangswohnungen“ bezeichnet und die Geschichte der Bewohner*innen erzählt.
Einige der Häuser wurden im Krieg zerstört und sind heute nicht mehr im Stadtraum sichtbar. Stefanie Brünenberg (IRS) und Timo Vössing (Technische Universität Darmstadt) rekonstruierten sie dreidimensional anhand von historischem Planmaterial und mit Hilfe von CAD- und Rendering-Software, die 2022 angeschafft worden war. Christoph Bernhardt und Rita Gudermann begleiteten das Projekt inhaltlich und administrativ. Von Seiten des IRS wurden drei Häuser rekonstruiert: die Klopstockstraße 30 (heute Bartningallee 7), die Ansbacher Straße 34 und eine ehemalige Villa, die Ende des 19. Jahrhunderts im „Blumeshof“ in ein Mietshaus umgebaut wurde. Die Arbeitsgruppe rund um die Ausstellung stellte Bauakten und weiteres Material aus dem Landesarchiv Berlin zur Verfügung, damit die Baumassen, die Fassaden und die Lage der „Zwangswohnungen“ innerhalb der Gebäude rekonstruiert werden konnten.
Die Schwerpunkte der Rekonstruktion lagen vor allem in der Ausformung der Fassaden und in der Rekonstruktion der eigentlichen Wohnungen. Die reich ornamentierten Fassaden der Vorderhäuser wurden anhand des Planmaterials erst in vektorisierte Daten konvertiert, anhand derer in der 3D-Grafiksoftware Cinema4D digitale Modelle erstellt wurden. Die Grundrisse der Zwangswohnungen sollten für die Ausstellung besonders hervorgehoben werden: Sie sind in den Visualisierungen rot eingefärbt. So wird insbesondere ihre Lage im Haus – genau zwischen allen anderen „normalen“ Wohnungen – sichtbar. Die Geschichten der Bewohner*innen der Zwangsräume werden in der Online-Ausstellung dargelegt, die seit dem 16. Oktober 2023 unter https://zwangsraeume.berlin/de verfügbar ist. Besonders soll an dieser Stelle noch auf die vielen Events, Stadtspaziergänge und Installationen hingewiesen werden, die im Rahmen der Ausstellung stattfinden. Die Termine finden sich auf der Ausstellungsseite unter „Aktuelles“.