13. Oktober | 2023

Neues Forschungsprojekt zum Wert der DDR-Architektur

Im September 2023 startete im Forschungsschwerpunkt „Zeitgeschichte und Archiv“ ein neues Projekt zu Wert und Wertschätzung der DDR-Architektur. Im Zentrum steht die Treuhand-Liegenschaftsgesellschaft (TLG), die nach dem Ende der DDR ehemals volkseigene Gebäude verwaltete. In den nächsten vier Jahren untersucht die Architekturhistorikerin Stefanie Brünenberg, welche Folgen das Handeln der TLG für die identitätsstiftende Wirkung des baulichen Erbes der DDR hatte.

Seit Anfang September arbeitet Stefanie Brünenberg an dem von ihr selbst bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) eingeworbenen Forschungsprojekt „Der Wert der DDR-Architektur. Der Einfluss der Tätigkeiten der Treuhand-Liegenschaftsgesellschaft auf die öffentliche Wahrnehmung des baulichen Erbes der DDR".

Die Tätigkeiten der Treuhandanstalt zur Übertragung des „Volkseigentums“ der DDR in die marktwirtschaftliche Ordnung der Bundesrepublik stehen bis heute in der Kritik: Eine geringe Beteiligung der ostdeutschen Bevölkerung, die zu schnelle Abwicklung und intransparente Vorgänge der Privatisierung und Liquidierung verschiedener Betriebe führten zu einer großen Unzufriedenheit in Ostdeutschland. Die Forschungen zur Treuhandanstalt (THA) erleben derweil einen neuen Aufschwung: Durch die Aufnahme, Digitalisierung und Schutzfristverkürzung der Unterlagen im Bundesarchiv ist eine erst- und einmalige Einsicht in die Arbeit der Treuhand möglich.

Bisher unbeachtet geblieben ist in der Treuhandforschung eine architekturhistorische Sicht: Die Tochtergesellschaft der THA, die Treuhand-Liegenschaftsgesellschaft (TLG), verwaltete die Liquidierung der betriebseigenen Sozialeinrichtungen sowie die zum sogenannten „Volkseigentum“ zugehörigen Großgaststätten, FDGB-Ferienheime, Interhotels und CENTRUM-Warenhäuser. Diese Bauten wurden im wiedervereinigten Deutschland im Grunde nicht mehr benötigt und durch die neuen Eigentümer*innen im Laufe der 1990er Jahre umgenutzt, umgebaut, abgerissen – oder stehen bis heute leer. Diese Bauten sind noch heute Zeugnisse der Transformationsgesellschaft in Ostdeutschland.

Neben der Aufarbeitung der Institutionengeschichte der TLG widmet sich das auf vier Jahre angelegte Forschungsprojekt der Erfassung der von der TLG verwalteten Gebäude. Dabei soll analysiert werden, welche der Bauten liquidiert, privatisiert oder von den neu gegründeten Kommunen übernommen wurden und wie sie in den Jahren nach der Wende baulich verändert wurden. Unter diesen Gebäuden werden Fallstudien ausgewählt, bei denen näher auf die öffentliche und mediale Diskussion zur Abwicklung eingegangen wird. Im Fokus der Forschung stehen die Bauten, die entscheidend für die Politisierung der Bevölkerung in der DDR erachtet wurden: betrieblich geführte Großgaststätten und andere Sozialeinrichtungen der volkseigenen Betriebe einerseits und staatlich geleitete Kindergärten, Polikliniken, FDGB-Ferienheime sowie die Bauten der Handelsorganisation (HO) andererseits. Diese Bauten gab es in allen mittelgroßen und größeren Städten der 14 Bezirke der DDR. Im Gegensatz zum Wohnungs- und Industriebau handelt es sich bei diesen Bauten meist nicht um typisierte „Wiederverwendungsobjekte“, sondern um aus architekturhistorischer Sicht einzigartige Bautypologien. Bewusst ausgenommen wird eine Betrachtung Ost-Berlins, da die ehemalige Hauptstadt der DDR in der baulichen Transformation nach der Wende einen Sonderfall bildet.

Das Forschungsprojekt ergänzt einen höchst aktuellen und wichtigen wissenschaftlichen Baustein zur baukulturellen Transformationsgeschichte, zur Treuhandforschung und zur Untersuchung der gesellschaftlichen Identitätsbildung durch Architektur.