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Zeigen, wie Bauten zu „authentischen“ Orten gemacht werden
Website urban-authenticity.eu geht online
Die barocke Stadtkirche, eine Gründerzeitvilla, eine Parkanlage - solche Bauten gelten als „authentisch“ und repräsentativ für Städte. Doch was ist mit Bauten der jüngeren Geschichte, speziell der DDR-Geschichte? Das Forschungsprojekt „Urban Authenticity“ hat Prozesse der Authentisierung untersucht und präsentiert die Ergebnisse nun auf einer interaktiven Website. Sie dokumentiert Bau- und Diskursgeschichte anhand von über 50 Beispielen, überwiegend in Berlin-Brandenburg. Präsentiert werden nicht nur Bauten in Berlin und Potsdam, sondern auch zahlreiche Beispiele im ländlichen Brandenburg. Diese erzählen Geschichten der Tilgung, aber auch der Bewahrung gebauter Lokalidentität.
Mit einer öffentlichen Onlineveranstaltung am 22. März 2023 stellte der Forschungsverbund „Urban Authenticity: Creating, Contesting, and Visualising the Built Heritage in European Cities since the 1970s“ seine Website „urban-authenticity.eu“ erstmals der Öffentlichkeit vor. Die Website ist das Herzstück der Öffentlichkeitsarbeit des Forschungsverbunds, der seit Juni 2020 aktiv ist und am 16. und 17. März 2023 seine wissenschaftliche Abschlusskonferenz veranstaltet hat.
Geschichten von Rettung und Verlust
Das Berliner Humboldt Forum, der Bierpinsel in Steglitz, das Karl-Liebknecht-Stadion in Potsdam, die Altstadt Jüterbog, das Neue Stadtzentrum Cottbus, das Kulturhaus Schwedt – die Website „urban-authenticity.eu“ präsentiert die Geschichten von Bauten und urbanen Räumen in Berlin und Brandenburg und kontextualisiert sie mit Hilfe einer kleinen Auswahl weiterer Beispiele aus Europa, etwa des Reichsparteitagsgeländes in Nürnberg und der Schwebefähre in Marseille. Sie geht dabei der Frage auf den Grund, wie, warum und durch wen manche Bauten als besonders repräsentativ, „authentisch“ und erhaltenswert markiert wurden, während anderen dieses Label vorenthalten blieb, sie dem Verfall preisgegeben oder abgerissen wurden. Die Website stellt den Bezug her zu den weithin beachteten geschichtspolitischen Debatten der jüngeren Zeit, etwa zum Berliner Humboldt Forum und der kontroversen Rekonstruktion der Potsdamer Garnisonkirche.
Besonders macht die Website jedoch, dass sie über die bekannten geschichtspolitischen Baustellen hinausgeht und gebaute Lokalgeschichte auch an vielen weniger bekannten Orten präsentiert. „Wir machen nicht einen Touristenführer Berlin 2.0, wir zeigen nicht zum hundertsten Mal wie schön das Brandenburger Tor ist“, sagt Verbundkoordinator und Historiker Daniel Hadwiger vom IRS-Forschungsschwerpunkt Zeitgeschichte und Archiv. Stattdessen bekämen Städte in Brandenburg und gerade ihre jüngere Baugeschichte ein besonderes Gewicht in der Darstellung. „Kulturhäuser waren beispielsweise etwas sehr Einzigartiges in der DDR und wichtige Träger von Identität. Wir zeigen einige Geschichten der Rettung, aber auch viele Geschichten des Verlusts“, sagt Hadwiger.
Steckbriefe thematisch und räumlich ansteuerbar
Die gut 50 „Steckbriefe“ beleuchten die Geschichten der Bauten in knappen Erklärtexten, zeitgenössischen Zitaten und dokumentarischen Fotos. Auch Skurriles ist dabei zu finden, etwa das Bild eines Bierkrugs mit dem Emblem des Schwedter Kulturhauses. Die Inhalte sind sowohl über eine Karte, als auch thematisch ansteuerbar. Jeder Steckbrief ist verschlagwortet. Oberthemen in der Menüführung tragen Titel wie „Aufwertung“, „Abwertung“, „Nostalgie“, „Vermarktung“ oder „Zukunftsort“. Thematisch unter den beiden letztgenannten ist beispielsweise der Ostsee bei Cottbus einsortiert, eine noch größtenteils unrealisierte Bergbaufolgelandschaft, die als Identitätsträger eines postfossilen Zeitalters dienen soll.
Die Webseite ist Teil des Forschungsprojekt „Urban Authenticity: Creating, Contesting, and Visualising the Built Heritage in European Cities since the 1970s”, gefördert von der Leibniz-Gemeinschaft. Projektpartner sind das IRS, das Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam e.V. (ZZF), das Institut für Zeitgeschichte, München-Berlin (lfZ), das Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung – Institut der Leibniz-Gemeinschaft und der Museumsverband Brandenburg e.V.