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„Ohne Auto geht nix“? – Neue Studie aus dem IRS zur Mobilitäts- und Logistikwende im suburbanen Raum
Seit Jahren wird eine nachhaltige Verkehrs- und Logistikwende diskutiert. Angesichts von klimaschädlichen Abgasen, Flächenversiegelung und Ressourcenverbrauch wird eine Reduzierung des (fossilen) motorisierten Individualverkehrs angestrebt. Der zunehmende Beitrag von Paketdiensten zu Verkehr und Emissionen befördert die Suche nach Alternativen zur dieselbetriebenen Paketlogistik. Für suburbane Räume stellt die Verkehrs- und Logistikwende eine besondere Herausforderung dar, denn das suburbane Lebensmodell ist bislang stark auf die Autonutzung und die Haustürzustellung von Paketen ausgerichtet. Allerdings spielt der suburbane Raum in der Verkehrswendeforschung bislang kaum eine Rolle. Das Forschungsprojekt Stadtquartier 4.1 nimmt das zum Anlass, um am Beispiel des Berliner Vorortes Erkner die heute dominanten Verkehrs- und Logistikpraktiken und die Voraussetzungen für einen Wandel zu nachhaltigen Alternativen zu untersuchen. Methodisch stützt sich die von den IRS-Forschern Dr. Ralph Richter und Paul Witte erstellte Studie auf repräsentative Haushaltsbefragungen, Experteninterviews sowie den Vergleich mit einem urbanen Quartier in Berlin-Charlottenburg.
Das Verkehrs- und Logistikverhalten im suburbanen Erkner ist stark von der Automobilität und einer emissionsintensiven Haustürzustellung geprägt. Viele Wege werden mit dem privaten Auto zurückgelegt, während umweltfreundliche Alternativen wie Bus und Bahn, Fahrrad- und Fußverkehr deutlich weniger genutzt werden. Im deutschlandweiten Vergleich schneidet Erkner beim Anteil umweltfreundlicher Verkehrsmittel zwar besser ab, aber der überdurchschnittliche private Fahrzeugbestand verweist auf eine große Bedeutung der Automobilität. Daran haben vor allem zwei Gruppen einen Anteil: Familien mit Kindern und Ältere aus der Generation der Baby-Boomer und der 68er. Für eine zeiteffiziente Lebensführung gilt den Familien in suburbanen Wohnlagen die Nutzung des Autos als unerlässlich. Die Älteren wiederum schätzen das eigene Auto als Garant mobiler Unabhängigkeit und als Ausdruck des erarbeiteten Wohlstands. Paketlieferdienste werden vor allem in Ein- und Zweifamilienhausgebieten stark in Anspruch genommen. Anders als in urbanen Quartieren, erweist sich im suburbanen Raum die Haustürzustellung als ökologisch sinnvoller, denn sie vermeidet eine Vielzahl von Abholfahrten mit dem PKW. Rezepte für eine nachhaltige Stadtlogistik – etwa die Zustellung mittels Paketstationen – können nicht umstandslos auf suburbane Gebiete übertragen werden.
Auch für einen Wandel zu nachhaltigen Alternativen sind die Voraussetzungen im suburbanen Untersuchungsgebiet vergleichsweise schlecht. Am Beispiel von Lastenrädern als Alternative zum Auto und anbieteroffenen Paketstationen als Ersatz für die Haustürzustellung ermittelten die IRS-Forscher eine unterdurchschnittliche soziale Akzeptanz und Nutzungsbereitschaft. Der Anteil der Skeptiker*innen ist doppelt so hoch wie im urbanen Vergleichsgebiet, Einstellungen zum Umweltschutz und zur Verkehrswende fallen im suburbanen Gebiet deutlich hinter die Vergleichswerte zurück. Das Ändern eingespielter Verkehrs- und Logistikpraktiken ist eine Herkulesaufgabe. Dabei gilt es, in Alternativen wie sichere Radwege, bessere Abstellmöglichkeiten für Räder und regelmäßigen Busverkehr zu investieren, die Attraktivität für den Autoverkehr zu verringern und auf einen Wandel in den Köpfen hinzuwirken. Oft fehlt es bereits an der Vorstellungskraft dafür, dass Wege und Besorgungen ebenso gut mit dem Fahrrad oder dem Lastenrad erledigt werden können. Hierbei helfen positive Rollenmodelle und die soziale Anerkennung durch das Umfeld, wie die Studie abschließend zeigt.