28. September 2020 | Nachricht

Internationale Konferenz und Policy Roundtable zeigen, wie europäische Sozialunternehmen ländliche Räume voranbringen

Ländliche Räume galten lange als kulturell abgehängt und wirtschaftlich unattraktiv, doch dieses schlechte Image verliert an Kraft. Die raum- und sozialwissenschaftliche Forschung interessiert sich heute vermehrt für die Innovationskraft ländlicher Räume und für ländliches Unternehmertum. Im EU-Projekt RurAction wurden Sozialunternehmen in ländlichen Räumen betrachtet, sowie die sozialen Innovationen, die sie erzeugen, um typisch ländlichen Problemlagen zu begegnen. Eine internationale Webkonferenz  und ein Web-Policy Roundtable diskutierten im September 2020 neue wissenschaftiche Erkenntnisse sowie Empfehlungen für die Politik und Praktiker vor Ort.

Bei weitem nicht alle ländlichen Räume sind wirtschaftlich strukturschwach. Doch diejenigen ländlich geprägten Regionen, die mit Abwanderung, mangelnden Verwirklichungsmöglichkeiten, einem Rückzug staatlicher Infrastrukturen und privater Dienstleistungen und – in der Folge – Fachkräftemangel für die verbleibenden Unternehmen zu kämpfen hatten, litten zusätzlich unter negativen Zuschreibungen in der medial geführten Debatte. Von „sterbenden“ oder „ausblutenden“ Dörfern, „leeren“ Landstrichen und „abgekoppelten“ Bewohnern war die Rede.

Momentan ändern sich mehrere Dinge gleichzeitig. Das Image ländlicher Räume hat sich bereits vor der Corona-Pandemie nach und nach verbessert, erhielt aber noch einmal einen deutlichen Schub, seit in den Medien von einer „Flucht aus den Städten“ die Rede ist, die nun als „eng“ und „ansteckend“ gelten. Tatsächlich werden ländliche Räume zunehmend zum Ziel von Zuwanderung aus städtisch geprägten Regionen – wobei dies in erster Linie für die nicht zu metropolenfern gelegenen und verkehrstechnisch gut erschlossenen Räume gilt. In der sozialwissenschaftlichen Forschung gibt es zudem ein wachsendes Interesse an der Innovationskraft ländlicher Räume.

Das EU-finanzierte Innovative Training Network „Social Entrepreneurship in Structurally Weak Rural Regions: Analysing Innovative Troubleshooters in Action“, kurz „RurAction“, das vom Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung in Erkner koordiniert wird, widmet sich genau diesem Thema. Im Zentrum stehen dabei Sozialunternehmen, also solche Unternehmen, die nicht in erster Linie nach Gewinn streben (obwohl sie auch Profite erwirtschaften können), sondern das Gemeinwohl in ihrer jeweiligen Region fördern wollen. Das können sie beispielsweise durch sozial-innovative Ansätze erreichen: neue Lösungen für Probleme, die vor Ort bestehen, und die durch kreative Neukombinationen vorhandener Konzepte zustande kommen – kooperative Vermarktungsstrukturen für die regionale Landwirtschaft in Verbindung mit sozial und ökologisch orientierten Projekten etwa.

Das besondere an RurAction ist, dass das Netzwerk nicht nur an wissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern an einer engen Kooperation mit der Praxis interessiert ist. Junge Forschende, die im Rahmen von RurAction ihre Doktorarbeit verfassen, verbringen jeweils mehrere Monate bei Sozialunternehmen, um dort praktische Erfahrungen zu sammeln. Umgekehrt hilft der Austausch mit der Forschung den Sozialunternehmen, ihre eigenen Ziele und Strategien zu reflektieren.

Am 21. und 22. September 2020 wurden die Ergebnisse des RurAction-Netzwerks auf der internationalen Webkonferenz „Social Entrepreneurship and Social Innovation in Rural Regions“ vorgestellt. Dabei hatte auch ein Dokumentarfilm Premiere, der im Rahmen des Projekts gedreht wurde und die Arbeit der beteiligten Sozialunternehmen in Portugal, Irland und Griechenland vorstellt. Er wird demnächst unter anderem auf dem Videokanal des IRS veröffentlicht. Darüber hinaus berichteten international führende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler über den Stand des Wissens zu sozialen Innovationen und sozialen Unternehmen auf dem Land. Die Beiträge bezogen sich auf zahlreiche europäische Untersuchungsregionen, aber beispielsweise auch auf die Uckermark in Brandenburg.

Am 23. September 2020 stellten Forschende und Praxisaketure aus dem RurAction-Netzwerk ihre praktischen Empfehlungen vor, die unter anderem in einem Policy Paper und ein Praktikerhandbuch zusammengeführt wurden. Beide Publikationen werden noch im Herbst 2020 erscheinen.

Konferenz
21. September | 2020 - 22. September | 2020

Structurally weak rural regions are faced with major social and economic problems. In comparison to ‘predominantly urban’ or ‘intermediate’ regions, ‘predominantly rural’ regions, and particularly structurally weak rural regions, are economically less productive, which finds expression by a low level of gross domestic product. They provide a less extensive scope of desired goods and services, opportunities for higher education and qualified job offers. Shops where daily purchases can be made are scarce and it is challenging for the inhabitants to move around the region because public transport is very limited. Not least, rural areas are faced with recurring negative discourses on rural problems in public media resulting in negative images. Against this background the respective regions experience a considerable loss of inhabitants and especially a brain drain of young and highly skilled people. Since the Euro crisis has become a burden in some European regions the situation has become even more acute. Downward spirals were set in motion that further reduce economic opportunities and prevent rural regions from overcoming their structural deficits. mehr Info