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Neues Buch zu Protestbewegungen gegen Windkraft
Neue Windkraftprojekte rufen mittlerweile regelmäßig lokalen Widerstand hervor. Doch woran liegt es, ob Widerstand sich formiert und wie Anti-Windkraft-Bewegungen agieren? Geben nur lokale Bedingungen und die Umstände des konkreten Projekts den Ausschlag, oder spielt der jeweilige nationale Kontext – die politische Debatte etwa, oder die jeweiligen Regelungssysteme – eine Rolle? Andrea Bues ist dieser Frage nachgegangen. Sie stellte einen Vergleich zwischen Anti-Windkraft- Bewegungen in Brandenburg und der kanadischen Provinz Ontario an. Nun ist bei Routledge ihr Buch “Social Movements against Wind Power in Canada and Germany: Energy Policy and Contention” erschienen.
Um den Klimawandel erfolgreich zu bekämpfen, ist eine Dekarbonisierung des Energiesystems unumgänglich. Die Bundesregierung plant laut ihrem Klimaschutzprogramm, den Anteil der Erneuerbaren Energiequellen am Bruttostromverbrauch bis 2030 auf 65 % zu erhöhen. Windkraft ist ein zentraler Pfeiler dieser Transformation. Was passiert aber, wenn diese auf lokaler Ebene nicht auf Gegenliebe stößt? In vielen Regionen weltweit geht der Ausbau der Windkraft mittlerweile mit Konflikten einher. Andrea Bues interessierte sich für die Frage, wie sich soziale Bewegungen gegen Windkraft in verschiedenen Ländern eigentlich unterscheiden und warum sie unterschiedlich erfolgreich sind, obwohl sie sich ja an sich gegen die gleiche Sache richten.
Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, untersuchte sie Anti-Windkraftbewegungen in zwei Vorreiterregionen des Windenergieausbaus: in Brandenburg und in der kanadische Provinz Ontario, die die höchste installierte Kapazität von Windenergie in Kanada aufweist. Dort wurde nach deutschem Vorbild eine Einspeisevergütung eingeführt, was zu einem raschen Ausbau der Windenergie führte. Jedoch entstand auch eine breite Anti-Windkraftbewegung, die zum Ende der politischen Unterstützung des weiteren Windkraftausbaus beitrug. Auch in Brandenburg entstand in den letzten Jahren eine Anti-Windkraftbewegung, die durch Volksinitiativen und -begehren auf ihre Belange aufmerksam machte. Die positive Haltung der Brandenburger Landesregierung gegenüber dem Windkraftausbau wurde dadurch jedoch nicht grundsätzlich erschüttert.
Was sind die Unterschiede der beiden Fälle, und warum war die kanadische Anti-Windkraftbewegung erfolgreicher? Was können wir aus einem Vergleich der Fälle für die Realisierung verschiedener Energiewenden lernen?
Mit Hilfe vor Ort geführter Interviews und Fokusgruppendiskussionen sowie von Dokumentenanalysen identifizierte Bues Faktoren, die zum unterschiedlichen Ausgang der Fälle beitrugen. Zum einen war das bestehende Regelsystem (Institutionen), in das der Windenergieausbau eingebettet war, zentral für den Ausgang des jeweiligen Windenergiekonflikts. In Brandenburg ist die Regionalplanung beispielsweise grundsätzlich als lokaler und partizipativer Prozess angesehen, während in Ontario die lokale Mitbestimmung durch die Anwohnerschaft oder betroffene Gemeinden von der Regierung von Anfang an ausgehebelt wurde. Dies führte in Ontario zu einer stärkeren Vehemenz der Proteste und verlieh ihnen dadurch mehr Macht.
Ein zweiter Faktor sind die unterschiedlichen Erzählungen (Diskurse), in die der Windenergieausbau in den beiden Regionen eingebettet ist. Während in Brandenburg die Energiewende im Vordergrund steht und durchaus positiv besetzt ist, war der Windenergieausbau in Ontario schnell mit dem Thema negative Gesundheitswirkungen verknüpft – eine positive Erzählung wie die „Energiewende“ lag nicht vor.
Diese beiden Faktoren – das Regelsystem (Institutionen) und die Erzählungen über den Ausbau der Windkraft (Diskurse) trugen dazu bei, dass die Anti-Windkraftbewegung in Ontario auch mehr politische Unterstützung erfuhr als in Brandenburg und daher unterm Strich mehr Macht ausüben konnte.
Aus dem Vergleich der Windkraftbewegungen in Brandenburg und Ontario lassen sich einige generelle Lehren ziehen. Zum einen entfaltet der institutionelle Raum, in dem sich der Windkraftausbau abspielt, also beispielsweise das Planungssystem, eine prägende Wirkung auf die Art, wie die Windkraftdebatte geführt wird. Daraus resultieren Effekte für die Machtverteilung in den Auseinandersetzungen um Windkraft. Zum anderen sind die übergeordneten Erzählungen um den Umbau des Energiesystems (Diskurse) zentral für das Gelingen einer dekarbonisierten Wirtschaft.
Bues, Andrea (2020): Social Movements against Wind Power in Canada and Germany: Energy Policy and Contention. Routledge, Abingdon
Dr. Andrea Bues ist Mitarbeiterin beim Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Von 2014 bis 2017 führte sie in der Forschungsabteilung "Institutionenwandel und regionale Gemeinschaftsgüter" des IRS im Rahmen ihres Promotionsprojekts “Scaling-Up Contention: The Power of Anti-Wind Movements and Sub-National Government Responses in Brandenburg, Germany, and Ontario, Canada” die Datenerhebung und -analyse für ihre Doktorarbeit durch, auf der das vorliegende Buch beruht.