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Krise, Migration und Expertenwissen: #BloggingIRS startet mit zwei Beiträgen im Blog der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des IRS publizieren nicht nur in akademischen Journalen. Immer öfter schreiben sie für Blogs und leisten damit Debattenbeiträge an der Schnittstelle von Fachöffentlichkeiten und breiter Online-Öffentlichkeit. Unter dem Hashtag #BloggingIRS werden künftig laufend aktuelle Blogbeiträge aus dem IRS gesammelt und vorgestellt – auf Twitter und in Einzelfällen auch auf der IRS-Website. Dabei werden auch immer der jeweilige Blog und die dahinterstehende Institution oder Person vorgestellt. Den Anfang machen zwei Beiträge im PRIF Blog des Leibniz-Instituts Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) von Verena Brinks und Oliver Ibert, sowie von Felicitas Hillmann.
Im PRIF Blog veröffentlichen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Peace Research Institute Frankfurt (PRIF) / Leibniz-Instituts Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) Texte zu aktuellen Fragen und Debatten, die für die Friedens- und Konfliktforschung relevant sind. Das Institut hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Ursachen gewaltsamer internationaler und innerer Konflikte zu analysieren und zu erforschen, unter welchen Bedingungen Frieden entstehen kann. Konkrete Projekte befassen sich unter anderem mit militärischen Interventionen, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung, Fragen des Völkerrechts, Radikalisierung oder sozialen Bewegungen und Protesten. Im Rahmen des Leibniz-Forschungsverbundes Krisen einer globalisierten Welt kooperieren IRS und HSFK.
Die Blogreihe „Corona-Krise(n)“ unter dem Dach des PRIF Blogs widmet sich friedenspolitischen Herausforderungen der Corona-Pandemie. Dazu gehört aus Sicht der HSFK einerseits die Gefahr, dass aus der Pandemie eine Kaskade miteinander verflochtener Krisen verschiedener gesellschaftlicher Systeme resultiert, die politische Ressourcen binden und so internationale Kooperation gefährden. Andererseits soll auch die möglicherweise produktive Seite der Corona-Krise Beachtung finden, etwa das Entstehen neuer Formen des Zusammenlebens, des Wirtschaftens und der Politik.
Am 23. April meldete sich Felicitas Hillmann mit ihrem Beitrag „Eine Frage der Reichweite – zum Stellenwert von Migration und Mobilität in der Corona-Krise“ zu Wort. Sie kontrastiert darin den Globalen Norden und den Globalen Süden nicht in der üblichen (Staaten) vergleichenden Sichtweise, sondern richtet den Blick auf die Rolle von Migration und Mobilität. Die Hochmobilen, Wohlhabende und wirtschaftliche Eliten, so argumentiert sie, haben in der ersten Phase der Pandemie das neue Coronavirus verbreitet. Entsprechend waren Global Cities und Zentren des Tourismus im Globalen Norden die ersten Hotspots der Pandemie. Im weiteren Verlauf ist jedoch eine drastische Ausbreitung in den Städten des Globalen Südens, etwa in Subsahara-Afrika abzusehen.
Hillmann macht deutlich, dass die im Norden erprobten Ansätze des Social Distancing dort nicht umsetzbar sind, auf Grund äußerst beengter Wohnverhältnisse, schlechter infrastruktureller Versorgung und des Umstands, dass lokale Mobilität und Kontakte für die meisten Menschen für das unmittelbare Überleben zwingend nötig sind. Sie verweist auf Befürchtungen, dass Regierungen ein hartes Top-down-Durchregieren versuchen und damit lange gehegte Ansätze zivilgesellschaftlicher Selbstorganisation, die auf lokale informelle Netzwerke setzt, zerstören könnten. Von dort richtet sie den Blick auf die Rolle der Migrantinnen und Migranten, die an vielen Orten der Welt weitgehend ohne Infektionsschutz in Lagern festsitzen, an Grenzen warten oder, etwa in Süditalien, in äußerst ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen existieren. Sie verweist darauf, dass diese Personengruppe auf Krisen typischerweise mit mehr und nicht weniger Mobilität reagiert, was die Dringlichkeit erhöht, ihr politische Aufmerksamkeit zu widmen. In ihrem Beitrag bezieht Hillmann sich auf eigene Forschungen und zahlreiche weitere Quellen.
Bereits am 15. April erschien in der Reihe der Beitrag „Beraten und entscheiden in einer ‚Transboundary Crisis‘“ von Verena Brinks und Oliver Ibert. Darin setzen sie sich mit der Frage auseinander, wie in Krisensituationen handlungsrelevante Expertise mobilisiert wird, so dass Entscheidungen getroffen werden können. Die Corona-Krise charakterisieren sie als „transboundary crisis“ – ein etablierter Begriff in der Krisenforschung, der besagt, dass eine Krise sich weder räumlich noch auf ein bestimmtes Sachgebiet eingrenzen lässt. Beides trifft auf die aktuelle Situation zu: Eine Pandemie ist per Definition räumlich entgrenzt, und in beängstigender Weise wird in diesen Tagen sichtbar, wie eine anfänglich reine Gesundheitskrise auf die Wirtschaft durchschlägt und, erwartbar, auf andere Domänen wie Bildung oder auch Ernährungssicherheit.
Brinks und Ibert machen deutlich, dass der normale Modus der Beratung versagt, weil ihm aus zwei Richtungen die Grundlage entzogen wird. Einerseits ist der Handlungsdruck um ein Vielfaches höher, andererseits herrscht in einer derart entgrenzten Krise ein fundamental neues Maß an Unsicherheit. Das Verhältnis zwischen denen, die politische Entscheidungen zu treffen und zu verantworten haben, und denen, die über handlungsrelevantes Fachwissen verfügen (oft wissenschaftliche Expertinnen und Experten), sortiert sich neu. Beratende Fachleute (in der aktuellen Krise in erster Linie aus der Virologie und Epidemiologie) stehen unter enormem, auch emotionalem Druck, klare Ratschläge zu geben und zugleich offensiv mit Unsicherheit umzugehen. Zudem droht die Gefahr einer heimlichen Übertragung von politischer Entscheidungskompetenz. Brinks und Ibert explorieren diese Dynamik. Sie beziehen sich dabei auf erste Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt „RESKIU“, in dem beispielhaft je eine Krise aus den Bereichen Wirtschaft, Umwelt und Politik im Nachhinein zeitlich und räumlich rekonstruiert und auf die Rolle von Beratung und Expertenwissen untersucht wurde.