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Neues Projekt: Wie aus schrumpfenden Siedlungen Einwanderungsquartiere wurden
In den 2000er Jahren verloren viele ostdeutsche Großwohnsiedlungen massiv Einwohner. Im Rahmen des Programms Stadtumbau Ost wurden ganze Quartiere um- oder rückgebaut. Die Zuwanderung Geflüchteter, besonders seit dem Jahr 2015, verwandelte nun etliche dieser Wohnsiedlungen nach und nach in Ankunftsquartiere. Hierdurch ergeben sich heute ganz neue Perspektiven für viele dieser Wohngebiete – zugleich jedoch auch Herausforderungen in Bezug auf das Wohnungsangebot, hinsichtlich der Nutzung und Gestaltung von Freiflächen und was die Versorgung mit sozialen Infrastruktureinrichtungen anbelangt. Auch die Bewohnerschaft muss sich umstellen, weil sich die Bedingungen des Zusammenlebens verändern. Das Projekt „Vom Stadtumbauschwerpunkt zum Einwandererquartier? Neue Perspektiven für periphere Großwohnsiedlungen“ (StadtumMig) untersucht deshalb die planerischen und stadtpolitischen Herausforderungen beispielhaft in ausgewählten Quartieren. Eine Zielstellung ist die Entwicklung praktischer Hilfestellungen für die Planungspraxis.
Die Koordination des Verbundprojekts ist am IRS angesiedelt, das in diesem Rahmen mit dem Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR) in Dresden, der Brandenburgischen Beratungsgesellschaft für Stadterneuerung und Modernisierung mbH (B.B.S.M.) in Potsdam, dem Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung der Humboldt-Universität zu Berlin und der Stadt Schwerin kooperiert. Die Städte Cottbus und Halle beteiligen sich als Praxispartner.
Empirisch stützt sich die Untersuchung auf drei Fallstudien in den Stadtteilen Sandow in Cottbus, Südliche Neustadt in Halle (Saale) und Neu-Zippendorf sowie Mueßer Holz in Schwerin. Diese drei Gebiete wurden zwischen 1960 und 1990 alle in industrieller Bauweise als Großwohnsiedlungen errichtet. In den 1990er und 2000er Jahren verloren sie einen Großteil ihrer Bewohnerschaft und wurden zu Schauplätzen des Stadtumbaus Ost. In Folge wurde das Infrastrukturangebot, besonders Schulen und Kitas, ausgedünnt. Ab den 2000er Jahren wurden umfangreiche Wohnungsbestände privatisiert, insbesondere durch einen Aufkauf von Finanzinvestoren.
Als 2015 ein verstärkter Zuzug von Geflüchteten einsetzte, trafen die Neuankömmlinge in vielen deutschen Städten auf einen angespannten Immobilienmarkt. Großwohnsiedlungen mit hohem Leerstand gehörten zu den wenigen Quartieren, in denen noch freier Wohnraum zur Verfügung stand. Die Zuweisungspraxis der Behörden verstärkte zusätzlich die Einwanderung von Geflüchteten in ohnehin sozial schwache Stadtquartiere. In Folge dieser Entwicklung kam es einerseits zu einer Stabilisierung der vorher lange zurück gehenden Bevölkerungszahlen, doch es entstanden andererseits auch neue Herausforderungen:
Erstens erschwert die unsichere Bleibeperspektive der NeubewohnerInnen eine langfristige Entwicklungsplanung in den Siedlungen. Dabei beeinflusst sowohl der unsichere Aufenthaltsstatus die Bleibeperspektive, als auch die Frage, ob die Migrantinnen und Migranten in den Quartieren ein Zuhause finden. Erfahrungen mit Diskriminierung und nicht ausreichenden Betreuungsangeboten und Betätigungsmöglichkeiten (vor allem für Jugendliche) erschweren das Ankommen. Zweitens ist unsicher, welche Wohnraum- und Infrastrukturbedarfe genau bestehen und entstehen: Was für Wohnungen, welche Bildungs-, Betreuungs-, Fürsorge- und Mobilitätsangebote werden tatsächlich gebraucht? Drittens stehen zwar ausreichend Grünanlagen zur Verfügung, doch treffen hier widersprüchliche Nutzungsanforderungen oft konflikthaft aufeinander, etwa hinsichtlich Lärm, Sauberkeit, Sicherheitsempfinden oder der Gleichberechtigung verschiedener NutzerInnengruppen, was eine steigende gefühlte Unsicherheit zur Folge hat. Die Koordination aller notwendigen Maßnahmen verlangt, viertens, zusätzliche Ressourcen (Geld, Personal) von den kommunalen Verwaltungen, die in den eher finanzschwachen Kommunen kaum zur Verfügung stehen.
Das StadtumMig-Projekt soll helfen, Lösungsvorschläge für diese Herausforderungen zu entwerfen. Es geht der Frage nach, ob sich „Stadtumbauviertel“ tatsächlich in Einwanderungsquartiere verwandeln und welche Perspektiven sich daraus ergeben – speziell für Wohn-, Infrastruktur- und Freiraumbedarfe. Es fragt danach, wie die Integration der Zugwanderten – im Sinn des Zugangs zu Teilhabemöglichkeiten und sozialen Kontakten – erleichtert werden kann und was dem entgegensteht. Es will herausfinden, welche Formen der Koordination zwischen öffentlichen, privaten und zivilgesellschaftlichen Akteuren sich als zielführend erweisen und will Potenziale und Probleme gleichermaßen analysieren.
Die Projektarbeit ist als Aktionsforschung angelegt. Die drei untersuchten Siedlungen werden dabei als „Reallabore“ betrachtet, in denen Entwicklungen in Echtzeit begleitet und erforscht werden können. Die einzelnen Forschungsschritte werden dabei in engem Austausch mit der Einwohnerschaft, sowie mit lokalen Initiativen, Wohnungsunternehmen und der Stadtverwaltung entwickelt. Auf dieser Basis werden schließlich Lösungsansätze und Handlungsempfehlungen erarbeitet. Als Output ist neben wissenschaftlichen Publikationen ein umfangreiches Transferprogramm geplant: Für jedes untersuchte Quartier wird ein spezifischer Handlungsleitfaden entwickelt. Aus der Zusammenführung dieser Handlungsleitfäden soll wiederum ein Handbuch entstehen, das konkrete Maßnahmenvorschläge für die Integration von Zugewanderten und die nachhaltige Weiterentwicklung betroffener Quartiere enthält.