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Potenziale von „Open Creative Labs“ für Innovationen und Partizipation an Forschung und Technologie
Das neu erschienene Policy Paper „Do It!“ aus dem IRS-Forschungsprojekt „Open Creative Labs in Deutschland“ leuchtet Potenziale sowie politische Gestaltungsaufgaben und Förderoptionen für Open Creative Labs aus. Die Empfehlungen basieren auf quantitativen und qualitativen Erhebung und Analysen von Labs in deutschen Metropolregionen. In Mittelpunkt des Projekts stand die Frage, ob Labs an sie gestellte Erwartungen, Gelegenheiten für Innovationen und zur Partizipation von Bürger/-innen an Prozessen der Forschung und Technologieentwicklung zu bieten, erfüllen können. Die Erwartungen seien im Kern berechtigt, müssten aber auch relativiert werden, so das Fazit der Autor/-innen.
Noch vor einigen Jahren haben Politik und Verwaltung in Metropolen und auf Bundesebene neugierig-fragende Blicke auf „Open Creative Labs“ gerichtet. Dieser vergleichsweise neue und sich dynamisch entwickelnde Typus von Arbeits- und Experimentierorten hat sich jedoch so rasch etabliert, dass er bereits heute intensiv gefördert wird. Open Creative Labs (OCL) bieten – im Einklang mit ihrem vom IRS eingeführten Oberbegriff – eine räumliche Organisationsform für gemeinsames Arbeiten an, die Offenheit, Kreativität und die Möglichkeit zum Experimentieren fördert. Daraus leiten sich zum Teil hohe politische Erwartungen ab, die von positiven öffentlichen Diskursen getragen werden: Open Creative Labs könnten für mehr Partizipation von Bürger/-innen an gesellschaftlich relevanten Entscheidungsprozessen beitragen, förderten Innovationsprozesse und hätten positive Effekte im Kontext regionaler und städtischer Entwicklungspolitiken.
Das vom BMBF geförderte Projekt „Open Creative Labs in Deutschland: Typologisierung, Verbreitung, Entwicklungsbedingungen und politische Gestaltung“ wurde von 2015 bis 2017 in der Forschungsabteilung „Dynamiken von Wirtschaftsräumen“ des IRS durchgeführt und hatte zwei wesentliche Ziele: Auf der einen Seite sollten die in Deutschland ansässigen OCL erfasst und typologisiert werden. Auf der anderen Seite sollten diese Orte im Hinblick auf die an sie gestellten Erwartungen genau analysiert werden. Somit stand die Frage im Fokus, welche Potenziale für Partizipation und Innovation für Labs tatsächlich zu konstatieren sind und ob diese Potenziale in der Realität auch eingelöst werden.
Ein erweitertes Partizipationspotenzial konnte das Projektteam um Prof. Dr. Oliver Ibert, Prof. Dr. Suntje Schmidt und Dr. Verena Brinks entlang zweier Dimensionen feststellen. OCL weiten die Partizipationsmöglichkeiten für Bürger/-innen aus, zudem erweitern sie die soziale Reichweite von Beteiligungen. Open Creative Labs böten in beiden Dimensionen nennenswertes Potenzial, so Ibert und Schmidt, da sie allen Nutzern die Möglichkeit eröffnen, selbst Probleme zu definieren, Technologien zu entwickeln und Lösungen zu finden. Grundsätzlich sind OCL offen für alle Nutzer. Dieses hohe Potenzial zur Erweiterung der sozialen Reichweite von Partizipation werde aber in den seltensten Fällen ausgeschöpft, da die soziale Offenheit durch eine selektive Ansprache unterschiedlicher Gruppen durch die thematische Spezialisierung sowie durch symbolische Barrieren eingeschränkt wird, so ein Befund der Forscher/-innen. Die Zusammensetzung der Nutzer/-innen nach sozial-strukturellen Parametern unterscheide sich sehr stark in Abhängigkeit von den zentralen Themen, sei selten ausgewogen oder repräsentativ. Generell kann beobachtet werden, dass jedes einzelne Lab tendenziell spezialisierte Minderheiten anspricht. Für diese Gruppen werden lokal begrenzt Bedingungen geschaffen, unter denen das Minderheiteninteresse zum Mainstream wird. Jedes Lab für sich betrachtet trägt also wenig zur Ausweitung der sozialen Reichweite von Partizipation bei, die Gesamtheit unterschiedlicher Labs hingegen schon.
Zu einem ähnlichen Fazit kommen die Autor/-innen in Bezug auf das Innovationspotenzial von Open Creative Labs. Sie sehen Innovationen als hochmobile, räumlich verteilte Prozesse an, die temporär lokal verankert sind. Für diese temporäre Verankerung bieten OCLs wichtige Ressourcen wie beispielsweise komplementäre Expertise, kompetente Anwender/-innen, Werkzeuge oder Materialien. Die Gelegenheitsstrukturen für Innovationen würden daher durch OCL um einen Typus erweitert, der in kritischen Übergangsphasen von Innovationsprozessen die Wahrscheinlichkeit erhöhen kann, dass diese nicht abbrechen. Positiv sei zudem, dass Nutzer- und Anwenderbeteiligungen an Innovationsprozessen durch OCL erheblich gestärkt würden. Im Projekt konnten Belege dafür gefunden werden, dass Labs Ausgangspunkte und Durchgangsstationen für Innovationen sind. Vor dem Hintergrund sehr unterschiedlicher Motivationen zur Nutzung und Einrichtung dieser Orte müsse allerdings die Erwartung, dass es dort primär um Innovationen geht, relativiert werden. Innovationen in OCL seien keineswegs selbstverständlich, sondern eher eine Ausnahme.
Auf Grundlage der Ergebnisse empfehlen die Autor/innen u.a. Informationskampagnen für Open Creative Labs, die sowohl ihre gesellschaftlichen Werte, aber auch ihre deren Reichwerten und Grenzen aufzeigen. Eine politische Förderung sollte vor allem auf die Stärkung ihrer Potenziale zu Partizipation und Innovation abzielen ohne allerdings die Autonomie dieser Orte, die häufig als bottom-up-Initiativen entstanden sind, zu gefährden. Statt einer direkten Förderung könnten hier etwa indirekte Formen der Förderung des gesellschaftlichen und städtischen Umfelds von Labs bevorzugt werden. Eine weitere Möglichkeit der Förderung besteht in der Förderung der Nutzer. Oft Einzelakteure sind sie für viele existierende Förderinstrumente nicht antragsberechtigt. Eine Koordinierung von innovationsbezogenen Fördermaßnahmen über die Labs könnte hier ein fruchtbarer Ansatz sein.