12. Juni | 2024

Aus Trümmern werden Stadien. Stadtplanung, Architektur und Sport in der frühen DDR

IRS Seminar mit Ulrich Pfeil, Université de Lorraine, Metz

Im Juli 1949 wurde in Potsdam das Ernst-Thälmann-Stadion eingeweiht, das zweitgrößte Bauprojekt der SBZ. Zum Deutschlandtreffen der Jugend (1950) und den Weltfestspielen der Jugend und der Studenten (1951) wurden in Ost-Berlin fünf neue Sportstätten in kürzester Zeit gebaut, welche in diesen beiden Jahren die größten Baustellen der jungen DDR waren. Ihre Geschichte erlaubt einen anderen Einblick in die Enttrümmerung und den Wiederaufbau von Berlin, in die frühe Sowjetisierung der ostdeutschen Gesellschaft und die Entstehung von "Machträumen", die es der SED ermöglichten, ihre Macht in Ost-Berlin und in den Ländern der DDR über den Sportstättenbau und die Namensgebung der Stadien durchzusetzen. Die Berichterstattung zum Stadionbau spiegelt zum einen den für die frühen 1950er Jahre so typischen Aufbaupathos der SED, die gerade über den Sportstättenbau in Ost-Berlin einen gesellschaftlichen Elan provozieren wollte, der sich nicht nur positiv auf die weiteren Aufbauprojekte auswirken, sondern auch auf die gesellschaftliche Unterstützung für das neue Regime. Die Konzentration auf den östlichen Teil der ehemaligen Reichshauptstadt verdeutlicht die überragende Bedeutung von Berlin innerhalb des deutsch-deutschen Wettbewerbes. Gerade die Anstrengungen der DDR, "unsere Hauptstadt als Symbol unserer nationalen Wiedergeburt" zu gestalten, sollte für die SED "eine scharfe Waffe im Kampf um die Einheit Deutschlands und Berlins" sein. Die Sportstätten verweisen zudem auf ein "Gegen- und Nebeneinander unterschiedlicher Planungskonzepte und Architekturauffassungen". Aus architektonischer Perspektive standen sie nicht nur für eine "irritierende Zwischenphase der unübersichtlichen Suche nach einer eigenständigen Architektur im breiten Spektrum zwischen Tradition und Moderne", sondern auch für das "Suchen nach einer den gesellschaftlichen und politischen Idealen entsprechenden Ästhetik".

Vita:

Ulrich Pfeil ist Professor für Deutschlandstudien an der Université de Lorraine (Metz). Er ist Spezialist für die Geschichte der deutsch-französischen Beziehungen im 19. und 20. Jahrhundert, des Kalten Krieges, der DDR und des Sports in den internationalen Beziehungen.