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Gefragt in der Krise. Gut beraten unter Ausnahmebedingungen
IRS Dialog 4 | 2021
Der Umgang mit Krisen bedeutet vor allem, Entscheidungen unter Bedingungen von existentieller Bedrohung, fundamentaler Unsicherheit und hoher Dringlichkeit treffen zu müssen. Moderne Krisen überschreiten territoriale und disziplinäre Grenzen, Verwaltungsressorts und Wirtschaftssektoren oder die Grenze zwischen Kultur und Natur. Mandatsträger*innen sind daher immer häufiger mit den Grenzen ihres eigenen Wissens konfrontiert. Externe Expertise kann dabei helfen, vor, während und nach einer Krise gut informierte Entscheidungen zu treffen. Im Umgang mit Krisen geht es nicht mehr allein darum, eine akute Bedrohung abzuwenden, sondern auch Krisenerfahrungen zu reflektieren und idealerweise Veränderungen vorzunehmen, um ein Wiederkehren der Krise zu verhindern. Auch Expert*Innen können hierzu beitragen. Gelingt es, gestärkt aus einer Krise herauszukommen, dann sprechen wir von einem resilienten Krisenumgang.
Über die Besonderheiten von Beratung in Krisen existieren leider kaum Kenntnisse. Diese Handreichung soll Experten*innen darauf vorbereiten, in solchen Ausnahmesituationen adäquat zu agieren. Sie kann in Nicht-Krisenzeiten als Vorbereitung auf eine Aufgabe gelesen oder im Krisenfall zur schnellen Orientierung herangezogen werden.
In der Krisenmanagement-Literatur werden vier Merkmale einer Krise herausgestellt, über die weitgehender Konsens besteht: Bedrohlichkeit, Unsicherheit, Handlungsdringlichkeit, Kontingenz. Krisen sind sozial konstruiert, d.h. es ist nicht möglich, sie anhand von Kriterien oder Schwellenwerten objektiv festzustellen. Sehr wohl objektiv feststellbar ist aber die breit geteilte Wahrnehmung einer Situation als Krise. In dem Fall verändert sich nicht nur der Diskurs, sondern die Rahmenbedingungen fürs Handeln selbst.
Der Verlauf einer Krise wird in drei Phasen geteilt. Die akute Phase, in welcher sich die Ereignisse überschlagen, wird eingerahmt durch die Phasen davor (Prä-Krise) und danach (Post-Krise). Die drei Phasen entsprechen nicht dem direkten Krisenerleben. Hier finden sich Beteiligte meist unvermittelt in die Krisensituation geworfen. Erst im Rückblick wird die Phasenlogik der Krise erkennbar.
Als Expert*innen gelten Personen, die Reputation in einer Wissensdomäne erworben und langjährige Praxiserfahrungen vorzuweisen haben. Der Expertenstatus ist keine individuelle Eigenschaft, sondern stellt sich durch eine Position in einem Beziehungsgeflecht her: (1) in der Beziehung zwischen Berater*in und Entscheidungsträger*in und (2) durch die prominente Positionierung in einer Wissensdomäne. In dieser Handreichung unterscheiden wir zwischen Expert*innen in Krisen und Expert*innen für Krisen. Im ersten Fall ist die Wissensdomäne von der Krise betroffen, im zweiten Fall stellt die Krise selbst den Gegenstand der Domäne dar. Die Handreichung richtet sich insbesondere an Expert*innen in Krisen. Sie soll ihnen – Ihnen als unsere betreffenden Leser*innen – dabei helfen, Krisen besser zu verstehen und sich in der akuten Beratungssituation zurechtzufinden.