Hauptinhalt
Städtische Klimapolitik zwischen alten Industrien und neuen Allianzen
Städte gelten als Pioniere der Klimapolitik. Doch entspricht dieses Image der Realität, oder trifft es in Wahrheit nur auf wenige, wohlhabende Metropolen zu? Zwei Forschungsprojekte am IRS haben die klimapolitischen Aktivitäten von Städten unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: Es gibt viele unterschiedliche Positionierungen, und alte Ungleichgewichte bestehen fort. Doch gesellschaftlicher Druck hat gerade in den letzten Jahren fast überall etwas bewegt.
Städte verursachen weltweit etwa 70 % der Treibhausgasemissionen – durch Verkehr, Industrie, Bautätigkeit und die Heizung und Kühlung von Gebäuden. Zugleich sind sie vom Klimawandel besonders betroffen: Hitzewellen, Starkregen und Stürme richten in ihnen schwere Sachschäden an und gefährden die Gesundheit der Stadtbevölkerung bis hin zu Todesfällen.
Seit knapp 30 Jahren engagieren sich einige Städte deshalb für den Klimaschutz. Sie verringern Treibhausgasemissionen, indem sie etwa Elektromobilität, Radwege und den öffentlichen Verkehr ausweiten oder Gebäudemodernisierungen fördern. Angesichts immer extremerer Wetterereignisse kamen in jüngerer Zeit Maßnahmen für die Anpassung an den Klimawandel hinzu, etwa Flächenentsiegelung, Stadt- und Gebäudebegrünung, um natürliche Kühlung und Versickerung zu fördern. Aktuell werden solche Ansätze unter dem Schlagwort der „Schwammstadt“ diskutiert.
Städte werden deshalb in der Klimadebatte heute überwiegend als Treiber des Fortschritts wahrgenommen. In seinem Buch „If Mayors Ruled the World“ schrieb der amerikanische Politologe Benjamin R. Barber den Städten sogar die Rolle der zentralen politischen Gestalter einer vernetzten Welt zu – die somit aus seiner Sicht die „dysfunktionalen“ Nationalstaaten ablösen.
Welche Städte handeln – und warum?
Sind Städte also die Pioniere des Klimaschutzes und der Klimaanpassung? So pauschal stimmt die Aussage nicht. Zunächst waren es insbesondere wohlhabende europäische Metropolen wie Amsterdam, Kopenhagen und Paris, die eine ehrgeizige sowie öffentlichkeitswirksame Transformationspolitik verfolgten. Dadurch erhielten sie viel Sichtbarkeit auf der Weltbühne, etwa als Austragungsorte von Klimagipfeln und als Namensgeber für Verträge wie das Abkommen von Paris. Was ist jedoch mit den Großstädten in der zweiten Reihe, was mit kleineren, ärmeren oder altindustriell geprägten Städten? Wer handelt, für Klimaschutz und/oder Klimaanpassung, mit welchem Fokus und welchem Ehrgeiz? Welche Faktoren bestimmen das Handeln, und kann das Lernen der Städte untereinander ein stimulierender Faktor sein?
Zwei Forschungsprojekte des IRS adressieren diese Fragen. Im Projekt „Matching Forerunner Cities“ (MaFoCi) eruierten Kristine Kern und Wolfgang Haupt von der Forschungsabteilung „Institutionenwandel und regionale Gemeinschaftsgüter“ in Kooperation mit der finnischen Åbo Akademi University und im Auftrag der finnischen Großstadt Turku – einer Klimaschutz-Vorreiterstadt, die bis 2029 klimaneutral werden will –, was die Stadt von vergleichbar positionierten Städten im Ostseeraum in Sachen Klimapolitik lernen kann. Als Vergleichsstädte wurden dabei Malmö (Schweden), Groningen (Niederlande) und Rostock (Deutschland) ausgewählt. Die drei Städte weisen viele strukturelle Ähnlichkeiten mit Turku auf: Sie sind ähnlich groß, gelten in ihren jeweiligen Ländern als klimapolitische Vorreiter, sind traditionsreiche Hansestädte, verfügen als alte Universitätsstädte über eine starke Forschungsinfrastruktur und mussten im Lauf ihrer Geschichte ähnliche Strukturwandelprozesse bewältigen.
Im transdisziplinären Forschungsprojekt „Urbane Resilienz gegenüber extremen Wetterereignissen – Typologien und Transfer von Anpassungsstrategien in kleinen Großstädten und Mittelstädten“ (ExTrass), welches das IRS im Verbund unter anderem mit der Universität Potsdam und den Projektpartnerstädten Potsdam, Würzburg und Remscheid vorantreibt, steht die Anpassung an Extremwetter in deutschen Städten im Vordergrund. Das Team des IRS, bestehend aus Kristine Kern, Wolfgang Haupt, Peter Eckersley und Janne Irmisch, erhob die klimapolitische Aktivität, sowohl im Klimaschutz als auch in der Klimaanpassung, in allen kreisfreien deutschen Städten über 50.000 sowie allen Städten über 100.000 Einwohner (insg. 104 Städte). Mit Hilfe von umfangreichen Desktop-Recherchen, Analysen von Policy-Dokumenten und Interviews mit Expert*innen identifizierten die Forschenden klimapolitische Strategien und institutionelle Strukturen, einschließlich personeller Ressourcen. Auch untersuchte das Team die zeitliche Entwicklung der Konzepte und Strategien sowie ihre Umsetzung in konkrete Maßnahmen. Indem sie die Funde zählten und mit Punkten bewerteten, konnten sie die klimapolitische Aktivität von Städten quantifizieren und unterschiedlichen Clustern zuordnen. Zu Beginn des Projekts führte das Team vertiefende Fallstudien („Pfadanalysen“) in den drei Partnerstädten durch, deren Ziel es war, zu verstehen, wie Städte im Lauf der Zeit überhaupt zu ihrer eigenen Klimapolitik kommen – was sie treibt, was sie hemmt, was ihre Besonderheiten ausmacht. Später, sobald mehr über die strukturellen Unterschiede der 104 Untersuchungsstädte bekannt war, wurden solche Pfadanalysen für 17 weitere, sehr unterschiedlich aufgestellte Städte durchgeführt. Insgesamt führte das Projektteam so über 70 Interviews mit Vertreter*innen aus Stadtverwaltungen, Kommunalpolitik und Zivilgesellschaft in 20 Städten.
Zwischen Klimaschutz und Klimaanpassung
Es zeigte sich: Städtische Klimapolitik ist zunächst ganz klar eine Ressourcenfrage. Große Städte mit einem größeren Budget für Klimapolitik können sich Fachabteilungen und feste Stellen für Klimaschutz und/oder Klimaanpassung eher leisten, während kleinere Kommunen oft bestenfalls auf Fördermittelbasis tätig sind und Klimamanager*innen nur befristet beschäftigen können. Die seit längerem führenden Metropolen besetzen weiterhin die Spitzenplätze in Klimaschutz und Klimaanpassung, wobei der Klimaschutz bereits deutlich länger etabliert ist und im Lauf der Zeit durch Klimaanpassungsaktivitäten ergänzt wurde. Dennoch haben sich auch einige kleinere Großstädte und auch Mittelstädte in starke Positionen vorgearbeitet. Dabei ist eine gewisse Rollenspezialisierung erkennbar, etwa die Unterscheidung zwischen „Leader“ und „Pioneer“. Manche Städte sind überaus aktiv in internationalen Netzwerken, erhalten Preise für ihre Klima- und Nachhaltigkeitspolitik und inszenieren sich als Vorbilder („Leaders“ wie beispielsweise Freiburg). Andere verfügen über sehr fortschrittliche Konzepte und Maßnahmen, kommunizieren dies aber weniger nach außen, denn sie haben weniger Interesse oder schlicht keine Kapazitäten, ein internationales Profil zu bilden („Pioneers“ wie etwa Karlsruhe).
Auch die Unterscheidung zwischen Klimaschutz und Klimaanpassung ist für kleinere Städte sehr bedeutsam. Manche Städte sind stark auf Klimaschutz spezialisiert und haben erst spät begonnen, Klimaanpassungskonzepte zu entwickeln (z.B. Bonn, Erlangen, Freiburg). Andere stellen die Klimaanpassung von Anfang an in den Vordergrund (z.B. Oberhausen, Solingen, Wuppertal, Karlsruhe). Wieder andere, wie etwa das bayerische Würzburg, starteten insgesamt spät in eine eigene Klimapolitik, adressieren nun aber beide Handlungsfelder gemeinsam. Selbst unter den internationalen Spitzenreitern sind hier Unterschiede erkennbar. So gehört das finnische Turku weltweit zu den führenden Städten im Klimaschutz, hat aber im Bereich Klimaanpassung Nachholbedarf.
Zur Integration von Klimaschutz und -anpassung hat das ExTrass-Team im Lauf der Forschung eine differenzierte Position entwickelt. Im IRS-Podcast Society@Space spricht sich Stadtforscher Wolfgang Haupt für eine enge Abstimmung der Handlungsfelder aus: „Es geht ja immer um Flächen. Was macht man mit einem Dach? Man kann es begrünen – eine klassische Klimaanpassungsmaßnahme. Man kann Solarzellen darauf bauen – eine klassische Klimaschutzmaßnahme. Man kann auch beides kombinieren. Dazu müssen die beiden Bereiche aber koordiniert handeln“. Aus der Sicht von Kommunen rückt die Anpassung an den Klimawandel zunehmend ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Zwar handelt es sich, wie beim Klimaschutz, nicht um eine Pflichtaufgabe der kommunalen Selbstverwaltung, jedoch sind verschiedene Pflichtaufgaben davon berührt: die Sicherung der Trinkwasserversorgung etwa, und der Schutz der Bevölkerung vor Katastrophen. Klimaschutz muss dagegen in einem zunehmend spannungsgeladenen Umfeld mit anderen Zielen der städtischen Bau-, Verkehrs- und Energiepolitik in Übereinstimmung gebracht werden.
Triebkräfte und Hindernisse für Klima-Aktivität
Generell wird die klimapolitische Aktivität von Städten begünstigt durch die Präsenz wissenschaftlicher Institutionen. Wenn Städte über Universitäten und einschlägige Forschungsinstitute verfügen oder darüber hinaus das Selbstbild einer Wissenschaftsstadt pflegen, ist es deutlich wahrscheinlicher, dass sie sich aktiv mit dem Klimawandel auseinandersetzen und entsprechende Strategien entwickeln. Besonders produktiv sind dabei vertrauensvolle Beziehungen und Austauschformate zwischen Wissenschaft und Stadtverwaltung. Ein Beispiel für eine solche etablierte Beziehung ist die im Jahr 2018 geschlossene „Klimapartnerschaft Stadt und Wissenschaft“ in Potsdam. Hinderlich für klimapolitische Aktivität ist es dagegen, wenn eine Stadtgesellschaft, insbesondere ihre politischen Netzwerke, von Vertreter*innen traditioneller fossiler Industriebranchen dominiert sind, und wenn die Identität der Stadt stark durch diese Industrien geprägt ist. Beobachtet hat das Forschungsteam diesen Zusammenhang etwa in einzelnen traditionellen Zentren der Automobilproduktion sowie in Zentren der Kohleförderung und -verstromung. Mehrere Städte aus dieser Gruppe gehören zu den klimapolitisch inaktivsten der untersuchten Gesamtheit.
Förderlich, insbesondere für den Klimaschutz, kann es sein, wenn Städte Zugriff auf Infrastrukturbetriebe der Energieversorgung, des öffentlichen Verkehrs oder der Wohnraumversorgung ausüben können, etwa durch kommunales Eigentum. Dies zeigt sich wiederum am Beispiel der Stadt Turku, die über städtische Unternehmen eine klimawirksame Infrastrukturpolitik gestaltet. Ähnliches zeigt sich in Freiburg und Potsdam. Gerade am Beispiel der Energiepolitik, besonders in der aktuell angespannten Lage auf dem Gasmarkt, wird jedoch deutlich, dass das Ziel der Energiesicherheit unterschiedlich verstanden und adressiert werden kann: im Sinne einer entschiedenen Hinwendung zu regenerativen Energien und dezentraler Produktion, oder im Sinne einer eher defensiven Absicherung mit fossilen Energieträgern. Die Forschung hat gezeigt, dass Grundsatzentscheidungen über die Ausgestaltung von Energieversorgungsnetzen Städte und ihre Klima-Performance für Jahrzehnte prägen.
Ähnlich wirken sich Gelegenheitsfenster in der Baupolitik aus. Sofern eine Stadt über Planungskapazitäten, günstige Eigentumsverhältnisse, Investitionskapital, freie Flächen und/oder einen gestaltbaren Gebäudebestand verfügt, kann sie zahlreiche Maßnahmen umsetzen, welche zu einer besseren Anpassung an den Klimawandel führen und den Ausstoß von Treibhausgasemissionen pro Kopf deutlich verringern. Sind Städte jedoch durch naturräumliche Gegebenheiten (z.B. Kessellage, Lage an Flüssen und am Meer) und den Gebäudebestand (z.B. denkmalgeschützt oder wenig kommunaler Besitz) eingeschränkt, stehen ihnen weniger Optionen für eine klimaorientierte Baupolitik offen. Hier ist jedoch anzumerken, dass Bereiche mit historischen Gebäuden oft bereits nachhaltig und klimafreundlich gestaltet sind – etwa durch eine beständige Bauweise, kurze Wege und versickerungsfreundliche Bodenbeläge wie Kopfsteinpflaster.
Zivilgesellschaft als Legitimationsquelle und Machtfaktor
Gerade in den letzten Jahren gewann die zivilgesellschaftliche Dimension städtischer Klimapolitik massiv an Bedeutung. Das liegt zum Teil am wachsenden Wunsch nach Partizipation in der Bevölkerung und in der Politik selbst (siehe S. 22). Das IRS untersuchte im Rahmen des MaFoCi-Projekts im Auftrag der Stadt Turku auch die Möglichkeiten einer verbesserten zivilgesellschaftlichen Partizipation an der städtischen Klimapolitik. Turku – wie Finnland insgesamt – verfügt zwar über einen äußerst handlungsfähigen und modernen öffentlichen Sektor, jedoch ist gesellschaftliche Mitbestimmung an der Politikformulierung dort kaum verankert. Mit Groningen und Rostock standen im Projekt zwei partizipationsstarke Städte als Vergleichsfälle zur Verfügung. Besonders Groningen in den Niederlanden blickt auf eine jahrzehntelange Tradition aktiver bürgerschaftlicher Initiative zurück, die unter anderem wesentlich zur Transformation Groningens zur Fahrradstadt beigetragen hat. Der Unterschied erwies sich jedoch als so groß, dass Erkenntnisse aus den Vergleichsstädten kaum übertragbar waren. Fündig wurde das Forschungsteam dagegen in einem Projekt der Stadt Zwickau, das wie ExTrass ebenfalls über die BMBF-Förderlinie „Zukunftsstadt“ gefördert wird. Die sächsische Industriestadt gehört erst seit der Eröffnung des VW-Elektroautowerks im Jahr 2019 zu den wirtschaftlichen Profiteuren einer klimafreundlichen Transformation. Die Bevölkerung blieb jedoch überwiegend skeptisch, und Partizipationsstrukturen waren generell wenig ausgeprägt. Von Zwickau konnte die Stadtverwaltung von Turku lernen, wie sich Partizipationsstrukturen in einem Umfeld ohne ausgeprägte Partizipationskultur nach und nach erproben und etablieren lassen. Zwar unterscheidet sich das Niveau der zivilgesellschaftlichen Partizipation von Stadt zu Stadt, doch ist ein zunehmendes Interesse an der Beteiligung der Bevölkerung fast überall zu verzeichnen.
Allerdings wurde die Zivilgesellschaft in den letzten Jahren selbst zu einem Machtfaktor, der klimapolitische Aktivität maßgeblich beeinflusste, besonders in Gestalt der Bewegung Fridays4Future. In vielen Städten erkannte zwar die politische Ebene seit Jahren grundsätzlich die Notwendigkeit klimapolitischer Maßnahmen an und entwickelte umfassende Strategiekonzepte. Fehlende Budgets, Stellen und Routinen in der Verwaltung wie auch eine fehlende Kultur der Auseinandersetzung schafften jedoch effektive institutionelle Barrieren gegen eine Übersetzung von Bekenntnissen oder Konzepten in Handlungen. Über die untersuchten Städte hinweg zeigte sich nun, dass es der Bewegung dank ihrer Beharrlichkeit gelang, auch tiefsitzende Widerstände zu lösen. „Die lokalen Fridays4Future-Gruppen sind immer weitergegangen, waren nie zufrieden und haben kontinuierlich Druck gemacht“, erklärt ExTrass-Projektmitarbeiterin Janne Irmisch. „Fridays4Future-Proteste waren als Schlüsselereignisse auch wirksamer als beispielsweise die Ausrufung des Klimanotstands in vielen Kommunen“, so Irmisch weiter. Nicht nur durch Streiks und Demonstrationen, sondern auch durch regelmäßige Gespräche mit Politik und Verwaltung, erreichten die jungen Aktivist*innen etwa Sofortmaßnahmen und Mittelaufstockungen. In der Konsequenz hätten sich Ortsgruppen anderer Umweltorganisationen wie BUND und Greenpeace – durchaus auch aus taktischen Erwägungen – hinter Fridays4Future gestellt, so dass die Zivilgesellschaft auf breiter Front mobilisiert wurde.
Können Städte voneinander lernen?
Insbesondere in den derzeit wenig aktiven Kommunen stehen Lokalpolitiker*innen und Verwaltungen nun vor der Herausforderung den zunehmenden politischen und gesellschaftlichen Druck in geeignete Strategien zu überführen und die vorgeschlagenen Maßnahmen umzusetzen. Gerade kleinere und ressourcenärmere Städte tun sich damit schwer. Wohin sich orientieren? In der Öffentlichkeit sind besonders die erfolgreichen und bestens vernetzen Leader-Städte sichtbar. Ihr Vorsprung wirkt uneinholbar, ihre Entwicklungspfade zu kopieren ist für die meisten „Nachzügler“-Städte keine Option.
Wie Wolfgang Haupt, Peter Eckersley und Kristine Kern in ihrem Forschungsbericht „Transfer und Skalierung von lokaler Klimapolitik“ (IRS Dialog 1/2021) zeigen, ist das klimapolitische Lernen von Städten untereinander noch kaum ausgeprägt. Unpassende Vorbilder sind eine mögliche Erklärung dafür. Wie bereits gezeigt, kann es sogar für eine bestens aufgestellte Pionierstadt des Klimaschutzes wie Turku schwierig sein, geeignete Vorbilder für die eigene Weiterentwicklung zu finden. Der im Rahmen des MaFoCi-Projekts entwickelte „Matching Cities“-Ansatz kann hier möglicherweise Abhilfe schaffen. Laut diesem Ansatz sollten klimapolitisch Verantwortliche in Städten versuchen, bezogen auf eine konkrete Problemstellung, andere Städte zu finden, die sich in einer ähnlichen Situation befinden, aber bereits einen gewissen Erfahrungsvorsprung haben. Diese spezifischen Erfahrungen werden für die eigene Situation eine hohe praktische Relevanz haben. Eine mittelalterlich geprägte Stadt, die in hohem Maß vom Tourismus abhängig ist, wie Speyer oder Bamberg, sollten sich dementsprechend andere Vorbilder suchen als etwa eine altindustriell geprägte Stadt wie Cottbus oder Gelsenkirchen. Das ExTrass-Team arbeitet derzeit an einer Handreichung für Kommunen, die es ihnen erleichtern soll, ihre eigene Position zu reflektieren, passende Referenzfälle zu finden und Kontakte aufzubauen.
Das Ressourcenproblem insbesondere kleinerer Stadtkommunen wird sich dadurch jedoch nicht vollständig lösen lassen. Die Festsetzung von Klimaschutz und Klimaanpassung als kommunale Pflichtaufgabe könnte hierbei Abhilfe schaffen, da den Städten dann – anders als bisher – auch Mittel für diese Aufgaben zugewiesen würden. Dies würde gerade solchen Kommunen helfen, die bisher auch aufgrund fehlender Mittel noch gar nicht klimapolitisch aktiv geworden sind. Generell blieben die spezifischen Problemlagen von kleinen Stadtkommunen in der Forschung bislang noch zu wenig beachtet. Auch das ExTrass-Projekt bezog bisher nur die kreisfreien Städte ab 50.000 Einwohner ein und ließ damit viele kleinere Stadtkommunen außen vor. Das Projekt tritt ab 2022 allerdings in eine zweijährige Transferphase ein, in der die bislang gewonnenen Erkenntnisse einer noch breiteren Nutzung zugeführt werden und weitere Daten erhoben werden sollen. In dieser zweiten Phase wird das Projektteam alle deutschen Städte ab 50.000 Einwohner in die Betrachtung einbeziehen.
Das Projekt „Urbane Resilienz gegenüber extremen Wetterereignissen – Typologien und Transfer von Anpassungsstrategien in kleinen Großstädten und Mittelstädten“ (ExTrass) wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und an der Universität Potsdam koordiniert. Weitere Verbundpartner sind die Adelphi Research gGmbH, die Landeshauptstadt Potsdam, die Johanniter-Unfall-Hilfe e.V., die Stadt Remscheid und die Stadt Würzburg. ExTrass läuft von 2018 bis 2023.
www.extrass.de