Werte in, für und durch Innovation: Untersuchung der Konstruktion, Mobilisierung und Etablierung von Werten in ländlichen und peripheren Räumen
Forschungsschwerpunkt: Ökonomie und Zivilgesellschaft
Projektleitung im IRS: Jonathan Hussels
Förderorganisation: Bundesministerium für Bildung und Forschung
Laufzeit: 10/2022 - 12/2025
Innovation hat sich zunehmend zu einer gesamtgesellschaftlichen Angelegenheit entwickelt (Rammert, 2018; Schot & Steinmüller, 2018). Damit verbunden ist, dass heterogene Akteur*innen darüber debattieren und ringen, was überhaupt als wertvoll und innovativ gelten kann. Innovativität ist folglich keine selbstverständliche Charakteristik neuartiger Produkte, Prozesse oder Praktiken, sondern Gegenstand gesellschaftlicher Bewertungsprozesse (Jeannerat, 2024). Von diesem wertbezogenen Verständnis ausgehend untersucht das Dissertationsprojekt das Verhältnis von Innovation und Wert aus einer mikroanalytischen Perspektive. Konzeptionell knüpft die Arbeit an Erkenntnisse der Kreativitätsforschung (Stark, 2009; Hutter, 2015) sowie an das junge Feld der Valuation Studies an (Coughlan, 2023; Angstmann, 2025).
Der empirische Fokus liegt auf Innovationsprozessen und -akteur*innen in ländlichen und peripheren Räumen Deutschlands. Die Konzentration auf Regionen jenseits urbaner Zentren ist zweifach begründet. Erstens werden urbane Zentren üblicherweise mit der Fähigkeit in Verbindung gebracht, Neuheiten als wertvoll zu etablieren, wohingegen ländliche und periphere Regionen in räumlichen Innovationsdynamiken häufig als Empfänger oder passive Residuen positioniert werden (Grabher & Ibert, 2025). Umfassende empirische Arbeiten zu Innovationen im ländlichen Raum stellen dieses orthodoxe Verständnis jedoch in Frage und werfen darüber hinaus Fragen auf, wie Innovator*innen in ländlichen und peripheren Gebieten ihren Initiativen und Unternehmungen Legitimität und Anerkennung verschaffen. Zweitens bieten ländliche und periphere Räume einen besonders aufschlussreichen Kontext für eine wertorientierte Untersuchung von Innovationsprozessen im Allgemeinen. Innovation vollzieht sich hier oftmals außerhalb institutionell abgegrenzter F&E-Abteilungen oder Forschungsinstitutionen. Die Beteiligung heterogenen Akteur*innen macht sichtbar, wie Werte im Verlauf von Innovationsprozessen ausgehandelt, verändert oder angefochten werden.
Leitende Forschungsfragen sind unter anderem, wie Wertkonflikte zu konstruktiven Treibern ländlicher Innovationsprozesse werden können, wie ländliche Innovator*innen Wert und Anerkennung für ihre Vorhaben mobilisieren und wie ländliche Materialitäten zum Ausgangspunkt innovativen Denkens werden können, wenn sie neu bewertet werden. Methodisch verbindet das Projekt rekonstruktive Innovationsbiografien (Butzin & Widmayer, 2016) mit Fokusgruppen, leitfadengestützten und problemzentrierten Interviews sowie einer lokalen Medienanalyse. Dies ermöglicht es, Bewertungsprozesse in Innovationen aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu untersuchen. Die im Rahmen dieses Qualifikationsprojekts zu entwickelnde Wertperspektive auf Innovation erweist sich insbesondere im Hinblick auf Fragen der Transformativität als erkenntnisreich. Sie zeigt auf, wie neues Wissen und neue Praktiken Legitimität und Wirkmacht erlangen und wie sich zugrunde liegende Werte verändern. Dadurch wird es möglich, nicht nur zu verstehen, wie Innovation sich etabliert, sondern auch wie neue Werte durch Innovation hervorgebracht werden können.
Die Arbeit ist im abgeschlossenen BMBF-geförderten Drittmittelprojekt SOIR – Stark durch Offene Innovationsregionen verortet. Sie wird von Prof. Dr. Suntje Schmidt im Fachgebiet Angewandte Wirtschaftsgeographie der Humboldt-Universität betreut.