Drittmittelprojekt

Governance von Kreativität: Die Verteilung von Unsicherheit in Kollaborationen

Forschungsschwerpunkt: Ökonomie und Zivilgesellschaft

Forschungsthemen: Innovationsprozesse in raum-zeitlicher Perspektive

Projektleitung im IRS: Prof. Dr. Oliver Ibert

Projektteam: Dr. Lukas Vogelgsang

Verbundpartner: Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung (Koordination) Freie Universität Berlin

Förderorganisation: Deutsche Forschungsgemeinschaft

Laufzeit: 06/2016 - 12/2019

governance-kreativitaet
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Es besteht ein Konsens über die Grenzen verschiedener Disziplinen hinweg, dass Kreativität nicht das Ergebnis eines individuelles Genies, sondern kreativer Kollaboration ist. Dabei erzeugt die Idee von organisierter Kreativität eine unmittelbare Spannung: kreative Prozesse sind inhärent unsicher und entziehen sich geplanter Organisation, entstehen aber trotzdem meistens in Netzwerken von Akteuren und eingebettet in verschiedene zeit-räumliche Kontexte, welche ein Mindestmaß an Organisation benötigen. In dem Projekt erforschen die Wissenschaftler den Einfluss verschiedener Modi von Governance auf Typus und Grad von Unsicherheit in kreativen Kollaborationen. Durch diese Brille betrachtet, interessieren sie nicht allein Mikro-Interaktionen von Individuen und Gruppen, sondern auch die zugrundeliegenden Strukturen kreativer Kollaboration.
Das Forschungsprojekt ist Teil der interdisziplinären, DFG-finanzierten Forschergruppe „Organisierte Kreativität: Praktiken der Induktion von und Umgang mit Unsicherheit“ (FOR 2161; Sprecher: Prof. Dr. Jörg Sydow, Freie Universität Berlin), welche den fundamentalen Zusammenhang zwischen Kreativität und Unsicherheit in mehreren Teilprojekten untersucht. Die empirische Analyse eines ästhetischen und eines wissenschaftlichen Feldes – Musik- und Pharmaindustrie – ermöglicht die Zusammenarbeit innerhalb der Forschergruppe auch über verschiedene Projekte hinweg. Ziel ist es, einen Beitrag zu der Entwicklung einer multidisziplinären Theorie von organisierter Kreativität zu leisten. Die Forschung basiert dabei auf der These, dass Unsicherheit eine zentrale „Zutat“ von Kreativität ist und dass deswegen kreative Prozesse eng mit der (Ver)Teilung und Erhöhung von Unsicherheit verbunden sind.

Das Projektteam am IRS legt den Fokus auf die verschiedenen Modi von Governance und die damit verbundenen Typen von Unsicherheit in kreativer pharmazeutischer Arbeit. Das Ziel ist es zu verstehen, welche produktive Rolle Unsicherheit bei der Entwicklung von kreativen pharmazeutischen Produkten spielt und wie verschiedene Modi von Governance dabei helfen, die stetig präsente Unsicherheit und Unvorhersehbarkeit in kreativer Kollaboration zu ertragen oder eventuell sogar zu erhöhen. Die Projektpartner an der Freien Universität Berlin bearbeiten dieselben Forschungsfragen an kreative Zusammenarbeit am Beispiel der Musikindustrie.

Der Vergleich beider Industrien ergibt: Unsicherheit prägt kreative Zusammenarbeit in unterschiedlichen Qualitäten: Unsichere Prozesse, unklare Ziele, unbekannte Beteiligten sowie unbekannte Orte. Im gesamten Kreativprozess wirken diese Unsicherheiten fort. Sie können inspirierend wirken, wenn einzelne Dimensionen von Unsicherheit spielerisch akzeptiert werden. Dazu ist es aber notwndig, die anderen Dimensionen von Unsicherheit im Vertrauen darauf sie später aufzulösen, zeitweise zu ignorieren oder sie durch intuitive Entscheidungen vorläufig zu eliminieren. Die Organisation von Kreativität läuft nicht auf einen idealen Governancemodus hinaus. Vielmehr hat jeder Modus - Hierarchie, Netzwerk oder Gemeinschaft - bestimmte Vorzüge und Nachteile, erlaubt es mit bestimmten Formen von Unsicherheit produktiv umzugehen wohingegen andere nur schlecht ausgehaten werden können. Entscheidend ist es daher für kreative Kollaboration, dass flexibel zwischen Modi gewechselt werden kann.

Fotos: rechts: Matej Kastelic/shutterstock.de, links: Vladimir Hodac

Publikationen

Ibert, O., Jackson, G., Theel, T., & Vogelgsang, L. (2021). Organizing Uncertainty as an Asset in Creative Collaboration: A Comparison of the Musical and Pharmaceutical Industries. Research on the Sociology of Organizations, (75), 115-136. https://www.emerald.com/insight/content/doi/10.1108/S0733-558X20210000075010/full/html