Die Umordnung der Planung. Stadtplanerinnen im digitalisierten Gefüge der Techniken
Forschungsschwerpunkt: Ökonomie und Zivilgesellschaft
Forschungsthemen: Geteiltes Wissen - lokal und über Distanz Neue soziale Praktiken
Projektleitung im IRS: Martin Schinagl
Laufzeit: 01/2018 - 12/2021
In der städtebaulichen Planung, Städtebau, Landschaftsplanung und Architektur haben seit den 1960ern eine Vielzahl elektronischer und digitaler Werkzeuge Eingang in das planerische Arbeiten gefunden. Geoinformationssysteme (GIS), Computer Assisted Design (CAD), Simulationssoftware, große Datenbanken, Drohnen und 3D-Drucker sind nur einige der neuen digitalen planerischen Tools und Infrastrukturen.
Martin Schinagl geht es in seiner Dissertation um die digitalisierten Neugestaltungen und Umordnungen der Arbeitsaufgaben zwischen den Planerinnen, der Planungsbüros, der geplanten Räume und Planungsprozesse.
In dieser Arbeit wird eine wie auch immer geartete digitale Planungskultur aus raum- und techniksoziologischer Perspektive untersucht. Dies bedeutet digitalisierte Raumpraktiken und die Arten und Weisen des Tuns im Umgang mit digitalen Werkzeugen der Planerinnen zu betrachten. Neugierig, wissen zu wollen, was Digitalisierung für Planerinnen bedeutet und welche Implikationen damit in Bezug auf ihr Tun einhergehen, wie Räume verstanden, begriffen und konstruiert werden, formuliert Martin Schinagl zwei zentrale Forschungsfragen dieser Arbeit:
(1) Was bedeutet digitalisierte Stadtplanung? Inwieweit formt das, was als Digitalisierung beschrieben wird, die sozialen und räumlichen Beziehungen der Stadtplanung?
(2) In welcher Weise machen sich Planerinnen dabei ein Bild von Stadt bzw. wie konstruieren sie Räume auf digitalisierte Weise?
Wie, wo und mit welchen (digitalen) Werkzeugen die Stadtplanerinnen ihr Tun verrichten, wird empirisch in ethnografisch angelegten Work Place Studies untersucht. New York, Lagos (Nigeria), Frankfurt a.M. und Berlin sind Orte an denen Daten gesammelt wurden. Schinagl beschreibt in seiner Dissertation, wie entlang digitaler Geräte die Prozesse der Planungsprojekte und das Feld an arbeitsteiligen Beziehungen in der Planung geformt und geschaffen werden. Dabei äußert sich die Digitalisierung der Planung über veränderte Planungsaufgaben und Abläufe sowie vernetzter Planungsbüros in ihrer materiellen und organisatorischen Zusammensetzung. Dabei findet eine räumlich verteilte Arbeitsteilung entlang von sogenannten Datenpraktiken weltweit an Verbreitung ohne dabei jedoch Unterschiede und Ungleichheiten zwischen den Planungsakteuren und Orten der Planung zu überwinden.
Darüber hinaus geht eine Digitalisierung mit veränderten Raumkonstruktionspraktiken einher – also der Weise, wie Planerinnen sich ein Bild von Stadt machen und Bilder über Städte kreieren, indem sie Räume analysieren, ordnen und entwerfen. Digitale Werkzeuge erlauben es, sich Räume auch vom Computer aus sinnhaft zu erschließen, und trotzdem werden weiterhin Begehungen vor Ort gemacht, Menschen getroffen und Kartierungen angefertigt. Aus einer Vielzahl unterschiedlicher Methoden also schöpfen Planerinnen, um sich ein Bild der Stadt machen. Sie setzen dabei Elemente und Informationen, die mit unterschiedlichen Mitteln und Techniken erhoben und zusammengetragen werden, zu einem verräumlichten Vorstellungsbild zusammen. All das soll für planerische Entscheidungsprozesse ein möglichst handhabbares kognitives Gerüst über Orte schaffen, auch wenn dazu physische Präsenz der Planenden vor Ort nicht mehr zwingend erforderlich zu sein scheint.
Die Dissertation an der Technischen Universität Berlin wird von Prof. Dr. Martina Löw und Prof. Dr. Gabriela Christmann betreut und wurde im September 2021 eingereicht.