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Umgang mit sensiblen Objekten in Museen und Archiven – Provenienzforschung im digitalen Zeitalter
Der Workshop ist ein Beitrag zur Reflexion der Provenienzforschung in Archiven und Museen und nimmt gezielt Auswirkungen der Digitalisierung auf den Umgang mit sensiblen Objekten in Kultureinrichtungen in den Blick.
Die Erforschung der Herkunft und Geschichte von Objekten in musealen, bibliothekarischen und archivischen Sammlungen hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Erfreulicherweise findet die Forschung zu Provenienzen (oft verbunden mit der Frage möglicher Restitutionen) mittlerweile auch weit über Fachkreise hinaus Aufmerksamkeit, indem ihre gesamtgesellschaftliche Bedeutung und internationale Dimension deutlich zu Tage getreten sind. Über die Ebene verdienstvoller Einzelprojekte hinaus besteht jedoch weiterhin großer Bedarf, die Arbeit der Provenienzforschung in ihren Grundzügen zu reflektieren, zu systematisieren und zu institutionalisieren.
Insbesondere müssen die verschiedenen Auswirkungen der Digitalisierung auf den Umgang mit sensiblen Objekten in Kultureinrichtungen stärker in den Blick genommen werden. So unterstreicht das Vorwort eines Ende 2021 erschienenen Sammelbands über die „Digitalisierung ethnologischer Sammlungen“, durch Digitalisierungsprojekte würden „neue, besser vernetzte und differenzierte Zugriffe auf ethnologische Sammlungen“ möglich. Zugleich werden die „neu entstehende[n] Widersprüche und Probleme der Digitalisierung“ und die „tiefgreifenden Transformationen, die damit unweigerlich einhergehen“, hervorgehoben. Die Herausgeber:innen prognostizieren nicht weniger als „eine fundamentale Veränderung der Museen und wissenschaftlichen Sammlungen, da die Systematisierung und Verfügbarkeit der Daten nunmehr ganz andere Voraussetzungen und Grundlagen haben“. (Hans Peter Hahn et al., Vorwort, in: dies. (Hgg.), Digitalisierung ethnologischer Sammlungen. Perspektiven aus Theorie und Praxis (= Edition Museum, Bd. 55), Bielefeld 2021 (auch online verfügbar unter https://www.transcript-verlag.de/media/pdf/6a/07/5f/oa9783839457900NaI5CsWVcz8fV.pdf), S. 9 f., hier S. 9.)
Der Workshop greift diese wichtigen Fragen auf und will den Blick weiten, indem – was noch zu selten geschieht – spartenübergreifend verschiedene Perspektiven eingebracht und in einen fruchtbaren Austausch gebracht werden: durch Referate von und Diskussionen zwischen Expert:innen aus den Bereichen Museum, Archivwesen und Bildsammlungen wie auch aus der Politik, abgerundet durch die Vorstellung eines Einzelprojekts samt Filmvorführung. Das international renommierte GRASSI Museum für Völkerkunde zu Leipzig bietet sich in besonderer Weise als Veranstaltungsort an, da es bereits in größerem Stil Provenienzforschung betreibt und unter diesen neuen Rahmenbedingungen seine Dauerausstellung grundlegend umgestaltet hat, was ebenfalls präsentiert wird.
Der Workshop ist zugleich eine Veranstaltung im Rahmen des „Lab 1.3: Digitale Heuristik und Historik“ des Leibniz-Forschungsverbunds „Wert der Vergangenheit“, das sich der „Geschichtsaneignung im digitalen Zeitalter“ widmet und u.a. der Frage nachgeht, wie Archive, Bibliotheken und Museen zur „Wissens- und Wertebildung in Zeiten medialer Umbrüche“ beitragen (zitiert nach https://www.leibniz-wert-der-vergangenheit.de/forschung/research-hubs-und-research-labs-1).
Zum Foto: Heiligenfigur mit Holzstütze, Liberia, vor 1900. Hans Schomburgk brachte die sehr seltene Seifenstein-Plastik eines Reisgötzen wahrscheinlich 1912 mit. Heute befindet sie sich in seinem Nachlass im Archiv für Geographie des Leibniz-Instituts für Länderkunde in Leipzig, der momentan hinsichtlich seiner Provenienz erforscht wird