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In memoriam Rolf Kuhn (1946 - 2024)
Im Alter von 77 Jahren ist der bedeutende Planer und Städtebauer Rolf Kuhn verstorben. Er war der erste Direktor des wiedergegründeten Bauhauses in der DDR und nach der „Wende“ Gründer und Geschäftsführer der Internationalen Bauausstellung (IBA) Fürst-Pückler-Land in der Niederlausitz.
Geboren in Ratscher (bei Schleusingen) am südlichen Rand des Thüringer Waldes, studierte Kuhn 1965 bis 1970 an der Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar (HAB) die Fächer Gebietsplanung und Städtebau. Ab 1970 arbeitete er am Institut für Städtebau und Architektur (ISA) der Bauakademie der DDR, dem Vorgängerinstitut des IRS. 1977 wechselte er als Honorardozent an die HAB nach Weimar. Seiner ersten Promotion zum Dr.-Ing. 1978 ließ er 1985 eine zweite in Stadtsoziologie bei Fred Staufenbiel folgen. Diese sozialkritisch orientierte Stadtsoziologie mit dem berühmten Format des „Kommunalen Praktikum“ prägte Kuhn in einer an der Perspektive der Menschen orientierten und damit besonders lebensnahen Planungspraxis.
Beim ein Jahr zuvor wiedereröffneten Bauhaus in Dessau wurde Rolf Kuhn 1987 zum ersten Direktor ernannt, eine Tätigkeit, die er auch nach der „Wende“ in der zur „Stiftung Bauhaus Dessau“ gewandelten Institution bis 1998 ausübte. Mit dem im Wendejahr 1989 konzipierten „Industriellen Gartenreich“ gestaltete Kuhn mit seinen engagierten Mitstreitern bereits soziale und ökologisch nachhaltige Entwicklungsstrategien für die Transformation der mitteldeutschen Industrieregion Dessau-Bitterfeld-Wittenberg. 1998 wechselte er nach Großräschen in die Niederlausitz, um dort die Geschäftsführung der 2000 gegründeten Internationalen Bauausstellung (IBA) Fürst-Pückler-Land zu übernehmen, die er bis zu ihrer Liquidation 2012 leitete. Mit dieser Institution gelang es Kuhn, nach dem Vorbild von Karl Ganser und dessen IBA Emscher Park im Ruhrgebiet den Wandel der monostrukturell vom Braunkohle-Bergbau geprägten Landschaft der Niederlausitz planerisch zu steuern. Die IBA Fürst-Pückler-Land setzte wirtschaftliche, künstlerische und ökologische Impulse durch 30 konkrete Projekte wie beispielsweise das bekannte Besucherbergwerk „Abraumförderbrücke F60“ („Liegender Eiffelturm der Niederlausitz“).
Rolf Kuhn hat mit diesem Projekt Transformation als notwendigen Umbau einer von Altindustrie geprägten Region bereits in einer Zeit umgesetzt, in der es diesen planerischen Begriff noch gar nicht gab. Auch thematisierte er sehr früh die Rolle und Funktion des Tourismus für Bergbaufolgeregionen. Insgesamt ist er in der Planungs- und Transformations-Fachwelt, aber auch in der Region der Niederlausitz, als jemand in Erinnerung geblieben, der Wege gebaut hat und nicht nur über Wege gegangen ist. Das Land Brandenburg hat Kuhn für seine in Fachkreisen als vorbildlich anerkannten Leistungen und Verdienste für die geschundene Landschaft der Niederlausitz bereits 2006 mit dem Verdienstorden des Landes ausgezeichnet. Aber schon in der DDR gehörte Rolf Kuhn zusammen mit anderen Staufenbiel-Mitarbeitern wie etwa Bernd Hunger zum Kreis von reformorientierten jungen Planern, die in ihren Institutionen versuchten, das Bauwesen der DDR zu modernisieren und zu demokratisieren.
Rolf Kuhn war dem IRS über lange Jahre verbunden und sah in diesem Institut und insbesondere in der Art und Weise, wie im IRS Forschung und Archivdokumentation gebündelt und integrativ betrachtet werden, in gewisser Weise ein Vorbild für sein Großräschener IBA-Studierhaus und das dortige Studienarchiv. Er war gern gesehener Gast bei IRS-Veranstaltungen und ließ sich in Erkner durch die IRS-Historiker*innen inspirieren und beraten, um unter anderem seine für die Nachwelt wichtige Autobiografie zu verfassen und das Großräschener Archiv zu digitalisieren. Dabei begeisterte Rolf Kuhn durch seine frischen und häufig unkonventionellen Ideen und als inspirierender und sehr reflektierter Gesprächspartner, der auch jüngeren Kolleginnen und Kollegen trotz seines legendären Rufs auf Augenhöhe, bescheiden und ohne jeden Dünkel begegnete.
Das IRS und seine Beschäftigten trauern um Rolf Kuhn. Unser Mitgefühl gehört seiner Frau Tamara Kuhn und seinen drei Kindern.
Harald Engler