20. Februar 2025 | Nachricht

Prof. Dr. Kristine Kern (1959 – 2025)

Mit großer Bestürzung und Trauer haben wir vom Tod unserer Kollegin und Freundin Kristine erfahren. Mit Prof. Dr. Kristine Kern verlieren die wissenschaftliche Gemeinschaft und das IRS eine herausragende und international hoch angesehene Forscherin.

1959 geboren in Stuttgart und aufgewachsen im benachbarten Backnang absolvierte Kristine Kern nach dem Abitur zunächst eine Ausbildung in der kommunalen Verwaltung. Unter anderem hier haben ihr wissenschaftliches Interesse an Verwaltungen und ihre kritische Sicht auf hierarchische Strukturen ihren Ursprung. Danach studierte Kristine Kern Verwaltungswissenschaft, Volkswirtschaft und Politikwissenschaft in Stuttgart, Tübingen und Berlin. Ihre mit dem Joachim-Tiburtius-Preis des Landes Berlin ausgezeichneten Dissertation in Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin schloss sie 1998 ab. Darin befasste sie sich mit der Diffusion von Politikinnovationen in Mehrebenensystemen am Beispiel der Umweltpolitik in den USA. Es folgten Stationen am John F. Kennedy-Institut der FU Berlin und am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), ehe sie in die weite Welt auszog: Ihre zahlreichen Stationen im Ausland führten sie unter anderem in die USA (University of Minnesota), Schweden (Södertörn University), die Niederlande (Wageningen University) und Finnland (Åbo Akademi University). Gerade der Åbo Akademi im finnischen Turku, wo sie noch bis 2020 eine Gastprofessur innehatte, blieb sie bis zuletzt eng verbunden.

Am IRS arbeitete Kristine Kern seit 2012, zunächst in der Forschungsabteilung „Institutionenwandel und regionale Gemeinschaftsgüter“ und später in der Forschungsgruppe „Urbane Nachhaltigkeitstransformationen“, die sie wesentlich prägte. Hinzu kam eine zeitweilige Professur an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam. Seit 2023 war sie außerdem Gastwissenschaftlerin am Kommunalwissenschaftlichen Institut (KWI) der Universität Potsdam.

Zweifellos verdient gemacht hat sich Kristine Kern um die Forschung zur Umwelt- und Klimapolitik. Sinnstiftend und inspirierend war hierbei sicherlich auch die politische Sozialisation in den 1980er-Jahren, in denen sich Umwelt- und Friedensbewegung verbanden. Über die Forschung zur Diffusion umweltpolitischer Innovationen, wie etwa der Verabschiedung von kommunalen Aktionsplänen zur Lokalen Agenda 21, kam Kristine Kern zur städtischen Klimapolitik, einem Forschungsfeld, dass sie bis zuletzt national und international entscheidend entwickelt und geprägt hat: So gehören etwa ihre gemeinsamen Aufsätze mit Harriet Bulkeley heute zur einschlägigen Standardliteratur in diesem Bereich. Kristine Kern ist es maßgeblich zu verdanken, dass die Stadt auch in der politikwissenschaftlichen Forschung als zentrale Akteurin in der Klimapolitik etabliert ist. Wie können Städte Vorreiter der Klima-Governance sein? Wie tragen Städtenetzwerke dazu bei, Klima-Innovationen im Mehrebenensystem zu verbreiten? Wie verbreiten sich umweltpolitische Innovationen überhaupt (eben nicht nur in nationalstaatlicher Hinsicht)? Und wie sind solche Diffusionsprozesse in sozio-räumliche Prozesse zum Beispiel der Energiewende oder der Klimaanpassung eingebunden? Welche Rolle spielen makroregionale Strategien und transnationale Städtenetzwerke in Europa? Wie können Wege zu urbanen Transformationen aussehen? Zu all diesen und vielen weiteren Fragen hat Kristine Kern entscheidende Antworten geliefert und Forschungsfelder geprägt. Ihre enormen Forschungsleistungen machten Kristine Kern zu einer international sehr gefragten Expertin, was sich etwa an zahlreichen Tätigkeiten als Gutachterin für Forschungsprojekte zeigte (u.a. ERC, Horizon 2020, JPI Urban Europe, FORMAS).

Neben ihren zahllosen wissenschaftlichen Leistungen bleibt uns Kristine aber vor allem als inspirierende, herzliche und charakterstarke Frau in Erinnerung, die sich stets entschlossen und geradlinig für die Anliegen ihrer Kolleg*innen und die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses eingesetzt hat.

Liebe Kristine, Du fehlst uns schon jetzt sehr!

Für die Forschungsgruppe „Urbane Nachhaltigkeitstransformationen“: Wolfgang Haupt, Elisa Kochskämper, Peter Eckersley, Peter Ulrich, Martina Leppler und Ludger Gailing

 

Kristine Kern war in ihrer typischen, auf manche etwas spöttisch wirkenden Art stolz darauf, dass sie vor ihrem Studium der Volkswirtschaft und der Politik- und Verwaltungswissenschaften schon ausgebildet worden war für den höheren Verwaltungsdienst. Sie hat die Staatsökonomie, als die schon längst kein eigenes Studienfach mehr war, noch von der Pike auf gelernt, und das gab ihren späteren Forschungen auch eine Grundierung von der handwerklichen Seite der Staatstätigkeit her. Sie wurde so unterwiesen in den Regeln, Grundlagen und Prinzipien jener Praxis, die später in ihrem Leben zu ihrem wichtigsten Gegenstand wurde: das Handeln der staatlichen Verwaltung im Mehr­ebenensystem – verbunden mit der Frage, ob es möglich ist, dass mit dieser Verwaltung auch Politik­innovationen und vernünftige Verbesserungen des Institutionensystems auf den Weg gebracht wer­den können. Mit ihrer frühen Qualifikationsschrift (veröffentlicht als „Die Diffusion von Politikinno­vationen. Umweltpolitische Innovationen im Mehrebenensystem der USA“) waren eigentlich bereits die Themen vorgezeichnet, die sie dann über alle verschiedenen thematischen Facetten hinweg in ihrem weiteren Schaffen beschäftigen würden: dezentrale Politikinnovationen und die Wege zu deren Verbreitung, die Entwicklung und Erprobung von Pilotprogrammen, das Verhältnis von Vorreitern und Nachzüglern beim Voneinander-Lernen in der Entwicklung angepasster policies – immer war eigentlich das gute Regieren ihr Thema. Sie vermochte es, ihre Einsichten detailreich und zugleich auf hohem konzeptionellem Niveau zu formulieren, aber wer sie kannte, konnte sicher sein, dass sie das bei Bedarf auch jederzeit wieder zurück „ins Kleine“ übersetzen konnte. Davon und auch von ihrem Elan und ihrer Akribie haben auch der Betriebsrat des IRS und mit ihm das gesamte Institut eine Zeit lang profitiert. Wir verlieren eine geschätzte Kollegin, die das Herz auf dem rechten Fleck hatte. Wir werden sie und ihren Rat vermissen – er mochte gelegentlich nicht ganz leicht zu nehmen sein, hatte aber immer einen richtigen Punkt vor Augen, der der Vertiefung Wert war.

Für den Betriebsrat des IRS: Gregor Prinzensing