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Erste wissenschaftliche Erhebung von Universitäts-Auslandscampussen veröffentlicht
Zunehmend bieten Universitäten Lehre nicht nur am heimischen Campus oder online an, sondern auch in internationalen Zweigstandorten. Diese „Offshore Campuses“ sind oft als glamouröse Wissenschaftsstädte gestaltet, die kommerziell vermarktet werden. Mit den Namen bekannter Universitäten als Marken werben sie um Studierende. Einen wissenschaftlich fundierten Überblick über Zahl, Lage und Herkunft dieser Einrichtungen auf Stadtebene gab es bisher nicht. Nun hat die Junior Research Group „TRANSEDU“ des Leibniz-Instituts für Raumbezogene Sozialforschung eine Gesamtdatenerhebung vorgelegt.
Seit 2018 erforscht die Nachwuchsgruppe „Constructing Transnational Spaces of Higher Education. International Branch Campus Development at the Interface of Network and Territorial Embeddedness“, kurz „TRANSEDU“ unter Leitung von Dr. Jana Kleibert, wie Universitäten und Akteure in den Zielländern „Offshore Campuses“ planen und errichten, welche Motive und Strategien dabei verfolgt werden und welche Konsequenzen sich daraus für die Universitäten selbst, die Studierenden sowie die Orte, an welchen die Standorte errichtet werden, ergeben. Ein wesentlicher Meilenstein der Untersuchung war die Schaffung eines einheitlichen quantitativen Gesamtüberblicks über Stand und Entwicklung internationaler Hochschulcampusse. Bislang wurden vergleichbare Daten von hochschulpolitischen Institutionen wie dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD), British Council oder Campus France herausgegeben. Deren Berichte folgen aber keiner einheitlichen Definition oder wissenschaftlichen Methodik und unterscheiden sich stark in ihren Aussagen. Zudem wurden Daten bisher nur auf Länderebene erhoben, nicht auf Stadtebene. Nun liegt unter dem Titel „Global Geographies of Offshore Campuses“ ein Bericht vor, in dem die von der Nachwuchsgruppe gesammelten Daten aufbereitet sind.
Als Kriterien für einen Offshore Campus gelten: An einem Ort muss eine physische (bauliche) Präsenz einer ausländischen Hochschuleinrichtung bestehen, an der Hochschulabschlüsse erworben werden können. Nach dieser Definition bestehen derzeit 487 Offshore Campuses, mindestens 14 weitere sollen demnächst eröffnet werden. Das Wachstum der Offshore Campuses ist seit 1989 kontinuierlich stark, mit durchschnittlich zweistelligen Wachstumszahlen bis 2009 und einem geringeren Wachstum in den letzten zehn Jahren. Insgesamt wurden 58 Offshore Campuses wieder geschlossen, hauptsächlich in den letzten fünfzehn Jahren. Überwiegend westliche Universitäten errichten Offshore Campuses, besonders aus Großbritannien, Frankreich und den USA. Insbesondere französische Hochschulen errichten dabei große Zahlen von internationalen Zweigstellen (bis zu 34). Im Laufe der Zeit zeigt sich allerdings eine Diversifizierung der Entsendeländer. Der Anteil der fünf wichtigsten Exporteure ist von 90% im Jahr 1990 auf 70% im Jahr 2010 geschrumpft.
Die wichtigsten Zielländer für Offshore Campuses sind China (67), die Vereinigten Arabischen Emirate (44), Singapur (19), Malaysia und Spanien (jeweils 17). Zweigstellen werden allerdings nicht nur aus dem globalen Norden in den globalen Süden exportiert. Europäische Länder und Städte sind sowohl als Importeure als auch als Exporteure von Campusanlagen prominent vertreten, insbesondere London und Paris. Insgesamt sind Offshore Campuses stark in wenigen Großstädten konzentriert, vor allem in Dubai (29), Singapur (19), Shanghai (15), London und Doha (beide 12). In mehreren Fällen entfällt auf eine Stadt ein erheblicher Anteil aller Offshore Campuses (auf Dubai entfallen 66% aller Standorte in den Vereinigten Arabischen Emiraten und auf London 80% aller Standorte in Großbritannien).
Teils werden Cluster von Offshore Campuses als „transnationale Bildungszentren“ entwickelt, die gezielt ausländisches Investitionskapital anziehen sollen. Dazu gehören beispielsweise Education City (Katar), Dubai International Academic City (Vereinigte Arabische Emirate), EduCity Iskandar (Malaysia) und Uniciti Education Hub (Mauritius). Obwohl nur etwa 10% aller Offshore Campuses weltweit in diesen transnationalen Bildungszonen liegen, finden diese Projekte besondere globale Aufmerksamkeit. „Bei transnationalen Wissensstädten treffen große Entwicklungsvisionen, immobilienwirtschaftliche Renditeziele und die Vermarktung von Hochschulbildung als globale Handelsware zusammen, wie in keinem anderen Feld“, sagt Projektleiterin Jana Kleibert. „In unseren Daten sehen wir viele Strukturen, die wir erwartet haben, wie etwa die Dominanz weniger westlicher Länder als Exporteure. Wir sehen aber auch, dass die Erwartungen an solche Projekte mitunter zu hoch geschraubt sind. Ein Offshore Campus ist kein Goldesel.“