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Energiewende dezentral! IRS-Forscher empfehlen regionale Strategien zum Umbau des Energiesystems
Wie geht es weiter mit der Energiewende? Während Diskussionen über CO2-Bepreisung Hochkonjunktur haben, bleibt die Frage aktuell, wie die Transformation des Energiesystems am besten gesteuert werden kann. Braucht es den einen großen Entwurf oder eher viele kleine Lösungen? Die Energiewende-Forscher Ludger Gailing und Andreas Röhring vom IRS sprechen sich im neu erschienenen Policy Paper „Energiewende dezentral!“ für regionale Handlungsräume der Energiewende aus: Statt lediglich Flächen für Windkraft und Biogas bereitzustellen, sollen Regionen die Energiewende selbst aktiv gestalten und wirtschaftlich stärker von ihr profitieren.
Zentrale oder dezentrale Steuerung für die Energiewende?
In der Transformation des Energiesystems wirken aber verschiedene Ebenen zusammen. Auf EU- und Bundesebene werden Anreize und Rahmenbedingungen gesetzt, wie durch das bereits mehrmals geänderte Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Die Bundesländer gestalten unter anderem die Rahmenbedingungen für planerische Festlegungen der Regionalplanung. Gemeinden weisen Flächen aus und unterstützen (oder blockieren) die Energiewende in vielfältiger Weise.
Von Installationsräumen zu Gestaltungsräumen
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des IRS erforschten vier Jahre lang, wie die Energiewende organisiert ist, wie sie sich über die Zeit hinweg entfaltet und wie sie sich im Raum auswirkt. Dabei stellten sie fest, dass die regionale Ebene zwischen Land und Kommune besonders wichtig ist für eine effiziente, wirksame und für die betroffenen Orte und Menschen Gewinn bringende Transformation. Hier gibt es oft ein gemeinsames Empfinden von Betroffenheit, und Interessengegensätze treffen besonders sichtbar aufeinander (z.B. zwischen Windenergie und Tourismus). So lange sich Kommunen und Regionen auf das Ausweisen von Flächen für erneuerbare Energien beschränken, entstehen weitgehend passive „Installationsräume“, in denen nur wenige an der Energiewende teilhaben. Kommunen und andere Akteure können sich aber zu „Energieregionen“ oder „Klimaschutzregionen“ zusammenschließen, um die Energiewende aktiv zu gestalten und gemeinsam zu profitieren. So werden Regionen zu „Handlungs-“ und „Gestaltungsräumen“ der Energiewende. Jetzt haben Ludger Gailing und Andreas Röhring ein Policy Paper veröffentlicht, das zeigt, worauf es dabei zu achten gilt.
Das Paper „Energiewende dezentral! Regionale Handlungsräume der Energiewende und des Klimaschutzes“ erscheint in der Reihe „IRS Policy Papers“ und steht unter der Adresse https://leibniz-irs.de/fileadmin/user_upload/Policy_Paper/Policy-Paper-Energiewe... zum Download bereit. Die Autoren wenden sich damit an führende Köpfe in den Regionen, in Kommunen und Landkreisen, die vor Ort handeln. Sie wenden sich aber auch an zuständige Ministerien auf Landes- und Bundesebene, die entscheidende Rahmenbedingungen gestalten. Sie weisen darauf hin, dass es bereits zahlreiche entsprechende Initiativen gab, wie etwa die vom Bundesumweltministerium geförderten „100ee-Regionen“ und Masterplankommunen „100% Klimaschutz“, oder die vom Bundeslandwirtschaftsministerium geförderten „Bioenergie-Regionen“. Zu den Merkmalen eines funktionierenden regionalen Handlungsraums der Energiewende gehört nach Auffassung Gailings und Röhrings, dass es einen klaren Raumbezug gibt, dass eine Managementstruktur etabliert ist, die über Einzelprojekte hinausgeht, dass ein integriertes Strategiekonzept vorliegt, das Klimaschutz und Energiewende mit regionalen Entwicklungszielen verbindet, und nicht zuletzt, dass ein gemeinsames Image entwickelt wird, an welchem wirtschaftliche Verwertungsaktivitäten „andocken“ können.
Handlungsräume schaffen, Handlungsräume stabilisieren
Wie können regionale Handlungs- und Gestaltungsräume neu geschaffen werden? Gailing und Röhring betonen drei Punkte. Erstens: Ohne „Schlüsselfiguren“, also bestens vernetzte, weithin respektierte und energetische Führungspersönlichkeiten in den Regionen geht es nicht. Zweitens: Innerhalb bestehender Verwaltungsstrukturen und -grenzen zu arbeiten, hat Vorteile: Hier stehen bereits Kapazitäten zur Verfügung. Es hat aber auch den Nachteil, dass in diesen Strukturen mitunter altes Denken dominiert. Ganz besonders in Regionen, die von fossilen Energieträgern wie Kohle geprägt sind, sind neue, parallele Managementstrukturen erforderlich. Drittens: Wenn etwas wirklich Neues entstehen soll, müssen auch neue, überraschende Akteure mit ins Boot geholt werden, nicht nur die „üblichen Verdächtigen“.
Handlungsräume der Energiewende müssen aber auch eine selbsttragende Eigendynamik sowie verstetigte Strukturen entwickeln, wenn die Förderung für Projekte und neue Managementstrukturen ausläuft. Gailing und Röhring sagen: Die Fähigkeit, immer wieder neu vielfältige Projekte zu generieren und Synergien zwischen ihnen zu generieren, ist entscheidend. Die Verantwortung für den Aufbau bzw. die Aufrechterhaltung entsprechender Kapazitäten sehen sie in erster Linie bei den Kommunen, regen aber auch an über neue Organisationsformen nachzudenken. Für den langfristigen Erfolg ist darüber hinaus Akzeptanz unverzichtbar. Sie ist durch Partizipation zu erreichen, wie auch durch einen für die Menschen erfahrbaren Nutzen, etwa durch bewusst gestaltete, attraktive neue Energielandschaften.
Wissenstransfer zur Energiewende
Die verantwortliche ehemalige Forschungsabteilung „Institutionenwandel und regionale Gemeinschaftsgüter“ verfügt über umfangreiche Erfahrungen in der Politikberatung und im Wissenstransfer zur Energiewende, insbesondere im Kontext von Landesentwicklung, Regionalplanung und Regionalmanagement.