Graduiertenkolleg "Innovationsgesellschaft heute. Die reflexive Herstellung des Neuen"
Forschungsschwerpunkt: Ökonomie und Zivilgesellschaft
Forschungsthemen: Geteiltes Wissen - lokal und über Distanz Innovationsprozesse in raum-zeitlicher Perspektive Neue soziale Praktiken
Projektleitung im IRS: Prof. Dr. Gabriela Christmann
Verbundpartner: Technische Universität Berlin (Koordination) Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung
Förderorganisation: Deutsche Forschungsgemeinschaft
Laufzeit: 10/2016 - 03/2021
Innovation prägt die moderne Gesellschaft seit ihrem Beginn. Gegenwärtig verändert diese Beziehung jedoch ihren Charakter: Moderne Gesellschaften werden heute Innovationsgesellschaften, in denen Innnovation die dominante treibende Kraft der Entwicklung bildet. Produziert und reproduziert werden Innovationen heute zudem vor allem in Innovationsfeldern. Dies sind Handlungsfelder, die durch Interaktionen von Akteuren in Bezug auf spezielle Innovationsthemen (wie Elektromobilität oder Regulierung von Banken) konstituiert werden. Solche Innovationsfelder liegen häufig quer zu gesellschaftlichen Teilbereichen. Vermittelt über Innovationsfelder wird Innovation selbst zum Ziel und Zweck gesellschaftlichen Handelns, etwa als Thema des Handelns (Semantik des Neuen), als Teil der Routinen des Handelns (Pragmatik kreativen Handelns) und als systematisch geschaffene soziale Strukturen zur Herstellung des Neuen (Grammatik).
Innovation wird im Zuge dieser Entwicklung zunehmend reflexiv, verläuft als heterogen verteilter Prozess und verallgemeinert sich zu einem ubiquitären Phänomen. Reflexive Innovation meint dabei eine soziale Herstellung, Fortschreibung und Veränderung von Neuem, die durch kontinuierlich erneuerte Informationen und Wissen getragen wird. Weiterhin wird damit die Rekursivität und Eigendynamik von Innovationsprozessen sowie innovationsspezifische Strukturbildung hervorgehoben. Heterogen verteilte Innovation bedeutet die Verschiebung vom einzelnen Unternehmer auf Innovationen in Netzwerken verschiedenartiger Akteure. Ubiquität von Innovation verweist auf die Tendenz zur Entgrenzung der Innovation über die klassischen Bereiche Wirtschaft und Wissenschaft hinaus und auf ihre Verallgemeinerung zu einem Handlungsimperativ.
Die zentrale Frage des Graduiertenkollegs lautet daher: „Wie konstituiert die Innovationsgesellschaft heute ihre Wandlungsprozesse reflexiv als Innovationen?“ Zur Beantwortung dieser Frage ist es notwendig zu klären, wie Innovationen und das Neue heute in verschiedenen Innovationsfeldern und verteilt auf eine Vielzahl von Akteuren unter Rekurs auf Innovationsgesellschaften reflexiv konstituiert werden. Untersucht werden Praktiken, Orientierungen und Prozesse in ausgewählten Innovationsfeldern. In diesen Innovationsfeldern können neben klassischen Innovationsthemen (wie der Entwicklung und Herstellung neuer Technologien in wirtschaftlichem Interesse) auch solche angesprochen werden, die sich einer solch klaren Zuordnung zu einzelnen Gesellschaftsbereichen ebenso entziehen wie der zu politisch-administrativen Einheiten wie Nationalstaaten. Mit dem erweiterten Begriff gesellschaftlicher Innovation erschließt sich das Kolleg über den gängigen ökonomischen Begriff hinaus ferner einen breiten sozialwissenschaftlichen Zugang zum Thema. Mit dem Vergleich von Fallstudien zur Konstitution von Innovationen in Innovationsfeldern entwickelt es nicht nur ein tieferes und empirisch kontrolliertes Verständnis davon, was Innovationsgesellschaft heute heißt und Vergesellschaftung gegenwärtig stark prägt, sondern auch davon, welche Rolle Innovationsfelder in diesen Prozessen spielen.