Architektur-Zirkulation im globalen Sozialismus. Kooperationsprojekte der DDR auf Kuba 1960–1990 und ihr Erbe (Arbeitstitel)
Forschungsschwerpunkt: Zeitgeschichte und Archiv
Projektleitung im IRS: Juliane Richter
Laufzeit: 02/2020 - 07/2025
Das Dissertationsprojekt untersucht die Planungs- und Baugeschichte von Bauvorhaben der DDR in Kuba im Kontext transnationaler Netzwerke und Austauschprozesse von Technologie, Materialien und Ideen. Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich vom ersten Handels- und Kreditabkommen zwischen der DDR und Kuba 1960 bis zum Zerfall des Staatssozialismus in Osteuropa um 1990, der Kuba den Verlust seiner wichtigsten ausländischen Handelspartner einbrachte. Trotz der engen Beziehungen Kubas zur DDR innerhalb des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) sind viele dieser Bauprojekte bislang weitgehend unerforscht.
Ziel ist es, durch die Analyse dieser Projekte und ihrer Entstehungsgeschichten zu einem Verständnis der Modi Operandi der Zirkulation von Bauprojekten und Wissen im Rahmen eines „Socialist Worldmaking“ beizutragen. Durch einen interdisziplinären Ansatz soll die architektonische Zusammenarbeit zwischen den Akteuren der DDR und Kubas dargestellt, bestehende Erzählungen ungleicher Machtverhältnisse herausgefordert und das Erbe dieser Projekte, die auch heute noch Urbanisierungs- und Industrialisierungsprozesse beeinflussen, eingeordnet werden.
Die Argumentation wird durch Fallstudien aus drei Jahrzehnten veranschaulicht, die verschiedene Temporalitäten, Maßstäbe und geographische Lokalitäten umfassen. Dabei werden auch Wissensepisteme untersucht, die Bauwerke im Kontext ihrer Umsetzung an scheinbar disparaten Standorten implementieren, transportieren und herausfordern. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf Analysen der Konzeptualisierung und Vermittlung eines „Bauens in den Tropen“ sozialistischer Prägung, wie es ab den 1980er-Jahren im „Wissenschaftsbereich Tropen- und Auslandsbau“ an der Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar entwickelt wurde.
Entgegen der Vorstellung eines unidirektionalen Exports von Ideen, Expertise und Material soll gezeigt werden, wie Kuba sich den Erwartungen an ein subalternes Gegenüber nicht unterordnete. Stattdessen nutzte es die Bauprojekte, um seine eigene Vision eines unabhängigen, antiimperialistischen Industriestaates voranzutreiben, der seinerseits als „Exporteur“ von Wissen und Bauwerken innerhalb der Süd-Süd-Kooperation auftrat. In diesem Kontext werden Identitätskonstruktionen und (Selbst-) Zuschreibungen als Industriestaat/Land der „Dritten Welt“ und einer „sozialistischen Internationale“ ebenso konfrontiert wie kulturelle Konstruktionen, die mit dem Label „Made in GDR“ einhergehen.
Zur Analyse von visuellen und textlichen Quellen aus verschiedenen Kontexten werden Recherchen in institutionellen und privaten Archiven sowie Bibliotheken sowohl in Kuba als auch in Deutschland durchgeführt, ergänzt durch Feldbesuche, die Gespräche mit Zeitzeug*innen einschließen.
Die Arbeit wird im Rahmen des Graduiertenkollegs "Identität und Erbe" an der Bauhaus-Universität Weimar (Professur Denkmalpflege und Baugeschichte) angefertigt.