13. Februar | 2024

IRS-Alumnus im Interview: Dr. Tobias Federwisch

„Am IRS habe ich mein Verständnis für Innovationen auf dem Land geschult.“

Dr. Tobias Federwisch ist aktuell im Kompetenzzentrum Ländliche Entwicklung (KomLE) der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) tätig. Von 2015 bis 2019 war er Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung (IRS).

Guten Tag Herr Federwisch. Mit welchen Themen und Aufgaben befassen Sie sich gerade in Ihrer aktuellen beruflichen Station?

Aktuell bin ich im Kompetenzzentrum Ländliche Entwicklung der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung tätig. Hier setze ich in einem großen Konsortium das Modellvorhaben Smarte.Land.Regionen um. Ziel eines der größten Digitalisierungsprogramme für ländliche Räume ist die Entwicklung eines Digitalen Ökosystems. Es besteht aus digitalen Diensten zur besseren Daseinsvorsorge in 20 Landkreisen sowie einer bundesweiten IT-Plattform, inkl. Marktplatz für digitale Dienste.

Was haben Sie aus Ihrer heutigen Sicht als wichtigste Qualifikation aus dem IRS für Ihre aktuelle Beschäftigungssituation mitgenommen?

In meinem Job spielen das Wissensmanagement und der Wissenstransfer eine sehr große Rolle. Das Handwerkszeug habe ich sicher auch in meiner Zeit am IRS gelernt. Immerhin ist das IRS bekannt für seine anwendungsorientierte Forschung und den Transfer in die Praxis.

Könnten Sie im Nachhinein Ideen und Themen beschreiben, die aus Ihrer Sicht für das IRS ganz typisch sind?

Ich kenne bis heute nur wenige Forschungseinrichtungen, die so konsequent zu ländlichen Räumen forschen wie das IRS. Gerade im Bereich der Innovationen auf dem Land ist das IRS bis heute ein Vorreiter in Deutschland.

Gibt es aus Ihrer Sicht bestimmte Ideenpfade im IRS, die Sie für Ihre eigene Entwicklung erkennen können und die Sie genutzt haben oder nutzen?

Das Konzept der Open Innovation hat mich sehr beeinflusst. Mich inspiriert der Gedanke, dass verschiedene Akteure mit ihren jeweiligen Expertisen zusammenkommen, um Neues zu erschaffen. So machen wir es ja auch im Modellvorhaben Smarte.Land.Regionen. Gleiches gilt übrigens auch für mein Ehrenamt in der Dorfbewegung Brandenburg, in der ich mit vielen Mitstreitern Räume und Gelegenheiten für Austausch und Innovation schaffe. Ein schönes Beispiel ist das „Parlament der Dörfer“, das 2022 erstmals stattgefunden hat.

Haben Sie spezielle Ideen aus dem IRS mitgenommen und in Ihrem Arbeitsfeld in größere Kontexte implementiert, z.B. in größeren Projekten oder Vorhaben?

Am IRS habe ich mein Verständnis für Innovationen auf dem Land geschult. Dieses Wissen kann ich unmittelbar in die Bundesverwaltung einbringen. Egal ob ich den Innovationsgrad eines Projektes einschätzen oder einen neuartigen Entwicklungsansatz auf die Bühne einer großen Messe bringen soll: Das Hintergrundwissen habe ich am IRS erlangt.

Welche akademischen Fachgebiete haben in letzter Zeit besonders vom IRS-Ansatz der raumbezogenen Sozialforschung profitieren können? Und wo sehen Sie Ausbaupotenziale? 

Für mich steht das IRS unter anderem für soziale Innovationen und soziales Unternehmertum in ländlichen Räumen. Ich denke, hier konnte das IRS bereits wertvolle Akzente in der deutschen und europäischen Forschungslandschaft setzen. Auf Basis dieses Profils sehe ich weitere Forschungspotenziale im Bereich der Wohlfahrtsökonomie auf dem Land. Sie ist dort einer der wichtigsten Arbeitgeber mit hoher Raumwirksamkeit, aber auch in einer großen Umbruchsphase.

Stichwort Politik- und Gesellschaftsberatung: Gab es da im IRS für Sie prägende Ereignisse und Erfahrungen? Wie hat Sie Ihre Zeit am IRS in Bezug auf Ihr Transferverständnis geprägt?

In meiner Zeit am IRS haben wir die Politik und Verwaltung oft beraten. Mal ging es um ländliche Räume im Allgemeinen, mal um soziale Innovationen in Landgemeinden im Besonderen. Ich hatte den Eindruck, dass die Expertise am IRS sehr geschätzt wurde. Besonders viel Interesse haben wir erfahren, wenn es um Empfehlungen hinsichtlich der Förderarchitektur ging.

Wie hat sich Ihrer Meinung nach der Arbeitsmarkt im Umfeld der raumbezogenen Sozialforschung verändert? Ist man aus Ihrer Sicht als ehemaliges IRS-Mitglied mehr in der Wissenschaft oder in Praxis, zum Beispiel durch Berufungen oder in Politik und Verwaltung gefragt? Wie sehen Sie es und was hören Sie in Ihren fachlichen Netzwerken dazu?

Obwohl die Wissenschaft als Arbeitgeber eine wichtige Rolle spielt, wird die Mehrzahl der sicheren Stellen in der so genannten Praxis geschaffen. Der Arbeitsmarkt reicht von der Politik und Verwaltung auf allen Ebenen, über die vielfältigen Regionalmanagements und Beratungsunternehmen bis hin zu den Verbänden und sonstigen Interessensvertretungen. Seit langem sind Allrounder*innen gefragt, die mehrere fachliche Themen bedienen sowie über umfangreiche Kommunikations- und Sozialkompetenzen verfügen. Da der Arbeitsmarkt sehr stark vom Fördermittelgeschäft geprägt ist, sind Kenntnisse über die Rechtsgrundlagen, insbesondere das Haushalts-, Zuwendungs- und Vergaberecht oder das Fördermittelmanagement von großem Vorteil.

Welche Karriereoptionen sehen Sie für den heutigen IRS-Nachwuchs? Was empfehlen Sie IRS-Nachwuchswissenschaftler*innen?

Zu einer Karriere in der Wissenschaft gehört ein gutes Forschungsumfeld. Das IRS bietet ein solches Umfeld, weshalb wir auch zukünftig viele akademische Karrieren mit Bezug zum IRS sehen werden. Dennoch empfehle ich allen Nachwuchswissenschaftler*innen, nicht nur auf die Karte der Wissenschaft zu setzen. Im Gegenteil: Außerhalb der Wissenschaft gibt es viele Karrieremöglichkeiten, die sinnstiftend sind und somit gleichermaßen infrage kommen können.

Was waren in den vergangenen Jahren aus Ihrer Sicht die größten raumpolitischen Fehleinschätzungen? Wo hätte in der raumwissenschaftlichen Community mehr Beratung bzw. Wissenstransfer stattfinden müssen?

Ich halte mich mit meinem Urteil über vermeintliche raumpolitische Fehleinschätzungen der Vergangenheit zurück. Denn auch unsere Gegenwart ist unübersichtlich geworden und Fehleinschätzungen lassen sich wohl auch heute nicht immer vermeiden. Dennoch freue ich mich, dass sich der raumpolitische Fokus von den Städten und Metropolen zugunsten der ländlichen Räume verschoben hat. Das ist auch eine gute Nachricht für die raumwissenschaftliche Community, die mit ihren Analysen und Handlungsempfehlungen rund ums Land sehr willkommen ist.

Welche Ideen und Vorschläge möchten Sie ggf. gerne für das Alumni-Netzwerk des IRS einbringen?

Mit dem Ausscheiden einer Person aus einer Organisation geht oft viel Wissen und Knowhow verloren. Das ist zwar nicht ganz zu vermeiden, aber mit einem Alumni-Netzwerk zu minimieren. Spannend ist, dass das auch smart via App geht! Gut administriert läutet das digitale Tool ein neues Kapitel im Wissensmanagement eines Alumni-Netzwerkes ein. So kann ein Expertendienst eingerichtet werden und das perfekte Match von Ehemaligen von vielseitigem Vorteil sein.

Schönen Dank für das Gespräch, Herr Federwisch!

Das Interview führte Gerhard Mahnken.

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