15. Februar | 2023

Ständig im Spagat

Paper zur regionalen Einbettung von Universitäts-Auslandscampussen

Wie können Universitäten für die Entwicklung von Städten und Regionen in ihrer Umgebung Ankerinstitutionen sein? Diese Frage beschäftigt Entscheidende in Politik und Verwaltung nach wie vor. Die wissenschaftliche Literatur zeigt, dass eine starke regionale Verankerung von Universitäten nicht nur wichtig für die regionalen Entwicklungseffekte ist. Eine gute regionale Verankerung bringt auch jede Menge Vorteile für Unis und deren Kernfunktionen mit sich. Inzwischen zeigt sich aber auch, wie Universitäten im Zuge von Internationalisierungsstrategien gleichzeitig ihr rein lokales Akteurs- und Selbstverständnis erweitern: Sie wandeln sich zunehmend hin zu transregional handelnden Institutionen. Ein Neues Paper zeigt, auf welche Dimensionen Politik und Verwaltung im Spannungsfeld von regionaler und trans-regionaler Verankerung achten sollten.

Eine besondere Strategie der Internationalisierung von Universitäten, vorwiegend von jenen aus dem angelsächsischen Raum, ist es, ganze Campusse im Ausland zu eröffnen. Diese sogenannten International Branch Campuses oder Offshore Campuses sind physische Ableger ihrer Stammuniversität im Ausland. Hier können Studierende ausgewählte Studiengänge der Hauptuniversität in Gänze absolvieren, meist inklusive einer Akkreditierung des jeweiligen Entsendelands. Mit dieser relativ neuen Strategie von Universitäten kommen aber auch neue Herausforderungen ins Spiel: Es entsteht ein problematisches Spannungsfeld zwischen regionaler und trans-regionaler Verankerung, was auch deren Krisenfestigkeit betreffen kann.

Dieses Spannungsfeld haben Jana Kleibert, Marc Schulze, Tim Rottleb und Alice Bobée aus dem TRANSEDU-Projekt in einem Paper untersucht. Genauer angeschaut haben sie sich die Krisenfestigkeit von Auslandscampussen am Beispiel der Covid-19-Pandemie und deren Auswirkungen. Grundlage waren qualitative Interviews mit Entscheidungsträger*innen von Auslandscampussen, die sie mit Ergebnissen einer explorativen Online-Umfrage unterfütterten.

Die Forschenden konzeptualisierten vier unterschiedliche Dimensionen von regionaler und trans-regionaler Einbettung der Universitäten: Partnerschaften, staatliche Finanzierung, Personal, und Rekrutierung von Studierenden. Ergebnisse ihrer Analyse zeigen, dass jene Auslandscampusse mit einer starken regionalen Einbettung in ihren jeweiligen Gastländern resilienter gegenüber den Auswirkungen der Pandemie waren. Die Pandemie hatte bekanntlich internationale Verbindungen stark beeinträchtig. Das Paper fokussiert zwar auf Auslandscampusse. Die Autor*innen gehen aber davon aus, dass auch andere Formen von transnationalen Bildungsanbietern von starken lokalen Netzwerken profitieren können. „Diese Netzwerke müssen die Regierungen vor Ort besser fördern“, sagt Tim Rottleb vom Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung (IRS) in Erkner. „Weiterhin hat aber auch die trans-regionale und damit überregionale Einbettung ihre Vorteile für solche Unis, die sich internationalisieren wollen“, meint Rottleb. Eine zu starke regionale Einbettung am Gast-Standort mache eine Universität indes anfälliger. Das gelte zum Beispiel für dortige lokale Ereignisse und politische Dynamiken, die schwer abwägbar und absehbar sind. Fazit: Sowohl die Entscheidungsträger*innen in Hochschulen als auch in der Politik und Verwaltung müssen die Vor- und Nachteile ihrer Ankerfunktionen vor Ort sorgsam abwägen und beobachten.