02. August | 2022

Möglichkeiten der kommunalen Steuerung von Reurbanisierung in Mittelstädten

Dissertationsschrift von Henning Boeth veröffentlicht

Henning Boeth, IRS-Mitarbeiter bis Sommer 2021, untersuchte in seiner Dissertation anhand der Fallstudien Brandenburg/Havel und Bamberg, welche Möglichkeiten öffentliche Akteure in Politik und Planung zur kommunalen Steuerung von Reurbanisierung in Mittelstädten haben. Konzeptionell bezieht sich die Arbeit auf planungstheoretische Ansätze, denen ein Steuerungsverständnis im Sinne von Governance zugrunde liegt. Planung wird somit nicht nur als ein linearer Prozess gesehen. Stattdessen werden – vor dem Hintergrund der Besonderheiten der Steuerungs- und Planungspraxis in Mittelstädten – die zugrundeliegenden Aushandlungsprozesse und die Handlungslogiken der Akteure in den Fokus gerückt. Die Dissertation wurde im November 2021 im Rohn Verlag veröffentlicht.

Boeth untersucht in seiner Dissertation Möglichkeiten öffentlicher Akteure in Politik und Planung zur kommunalen Steuerung von Reurbanisierung in Mittelstädten. Er schließt damit insbesondere an Debatten über lokale Reurbanisierungsprozesse an, die bisher ausschließlich im Kontext von Großstädten geführt wurden. Die Arbeit ist in drei Analyseschritte gegliedert, in denen erstens die Prozesse der Reurbanisierung, zweitens, die kommunalen Steuerungsansätze sowie drittens, das Handeln der lokalen Akteure untersucht werden. Empirische Daten wurden durch Dokumentenanalysen, Wanderungsstatistiken sowie 26 Experteninterviews in den Mittelstädten Brandenburg/Havel und Bamberg erhoben und ausgewertet.

Boeths Ergebnisse zeigen, dass Reurbanisierung ein aktueller Entwicklungstrend für Mittelstädte ist, der auf Basis der untersuchten Fälle jedoch kaum auf eine politisch-planerische Steuerung zurückzuführen ist. In der Analyse konnten zwar vereinzelt pro-aktive Steuerungsansätze in der Wohnungspolitik identifiziert werden, die Angebote für bestimmte Zielgruppen intendieren. Aufgrund diverser Steuerungshemmnisse konnten diese Handlungsansätze jedoch nicht vollends in die Praxis umgesetzt werden. Es gelingt den öffentlichen Akteuren in den Fallstudien kaum, langfristige Formen der Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und nicht-öffentlichen Akteuren zu bilden und die Steuerungsressourcen im Sinne einer strategisch-orientierten Reurbanisierungspolitik zu bündeln. Sowohl die Möglichkeiten zur Steuerung als auch der tatsächliche Einfluss der öffentlichen Akteure auf den Prozess der Reurbanisierung schätzt Boeth damit als gering ein. Die Befunde deuten darüber hinaus darauf hin, dass die Steuerungsmöglichkeiten in hohem Maße kontextabhängig sind und Bedingungen voraussetzen, wie unter anderem eine ressortübergreifende Zusammenarbeit in der Verwaltung sowie gemeinsame Handlungsorientierungen zwischen Politik und Planung.

Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass sich ein zukünftiges Planungsverständnis stärker auf eine Synthese von Planungstheorie und Governance beziehen sollte. Da die Steuerungsbemühungen in den untersuchten Fallstudien eher von blockierenden und weniger von handlungsermöglichenden Akteursbeziehungen gekennzeichnet sind, hinterfragen die Befunde gleichzeitig auch den normativen Kooperationsoptimismus im Zusammenspiel des Planung-Governance-Nexus. Die im Prozess der Reurbanisierung nachgezeichnete Wachstumsskepsis bei einigen stadtpolitisch relevanten Akteuren, die als zusätzliches Steuerungshemmnis gesehen werden kann, bestätigt diese Einschätzung. Theoretisch-konzeptionelle Ansätze lokale Steuerungs- und Planungspraxen, die ausschließlich auf Wachstumsvorstellungen basieren, sollten entsprechend einer kritischen Würdigung unterzogen werden. Die Dissertation bietet dahingehend neues Reflexions- und Orientierungswissen und ist für Akteure aus den Planungswissenschaften sowie der Planungspraxis gleichermaßen von Bedeutung.

 

Hintergrund

Forschungsschwerpunkte