01. März | 2018

Kaleidoskop neuer Forschungen zur DDR-Bau- und Planungsgeschichte

15. Werkstattgespräch im IRS

Bau- und planungshistorische Forschungen aus einer raum- und sozialwissenschaftlichen Perspektive sind der besondere Fokus der Historischen Forschungsstelle am IRS. Unter Rückgriff auf institutionen-, netzwerk- und machttheoretische Ansätze beschäftigen sich die Wissenschaftler/-innen mit Prozessen der Raumentwicklung im 20. Jahrhundert und eröffnen so neue Blickwinkel auf die Urbanisierungs- und Planungsgeschichte des 20. Jahrhunderts. Diese Perspektiven mit einer breiten Fachöffentlichkeit aus Wissenschaftler/-innen verschiedener Disziplinen, Praktikern und Zeitzeugen zu diskutieren, ist das Ziel der Werkstattgespräche zur Bau- und Planungsgeschichte der DDR. Am 18. und 19. Januar 2018 fand die 15. Ausgabe dieses mittlerweile etablierten Forums am IRS statt.

Die Veranstaltung wurde organisiert von der Historischen Forschungsstelle des IRS in Kooperation mit der Professur für Baugeschichte der Technischen Universität Dresden und dem Bereich Denkmalpflege und Baugeschichte der Bauhaus-Universität Weimar. Damit waren die drei bedeutendsten Einrichtungen für bau- und planungsgeschichtliche Forschung zur DDR gemeinsam Ausrichter des 15. Werkstattgesprächs, das mit über 100 Teilnehmer/-innen so gut besucht war wie noch nie. In jüngerer Zeit und insbesondere in diesem Jahr sei zudem ein erfreulicher Generationswechsel unter den Wissenschaftler/-innen sichtbar geworden, so Dr. Harald Engler, einer der Organisatoren des Forums im IRS. Es träten junge, ambitionierte Forscher/-innen und andere gesellschaftliche Akteure auf den Plan, die mit der DDR-Thematik keine persönliche, sondern eine auf fachlicher Neugier beruhende Beziehung hätten. Dies würde die Debatten auf dem Werkstattgespräch, die mit Zeitzeugen und etablierten Wissenschaftler/-innen traditionell sehr lebhaft sind, um neue Perspektiven bereichern und differenzieren.

Die Debatten fokussierten sich auf dem 15. Werkstattgespräch unter anderem auf internationale Beziehungen des DDR-Bauwesens, Sonderbauten wie Schwimmbäder und Restaurants sowie auf biographische Zugänge und Netzwerke. Der Schwerpunkt auf transnationale Perspektiven stützte sich zum Teil auf Forschungen aus dem laufenden IRS-Projekt „Architekturprojekte der DDR im Ausland“, in dem Bauten, Akteure und kulturelle Transferprozesse analysiert werden. Die Diskussionen auf dem Werkstattgespräch ermöglichten einen differenzierten Blick auf das Thema: Die unterschiedlichen Kontexte – wirtschaftliche Zusammenarbeit, Entwicklungshilfe, Reparationsleistungen – in denen DDR-Bautätigkeit im Ausland stattfand, wurden ebenso beleuchtet wie die Rolle des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) und die vielen gescheiterten bzw. nicht realisierten Projekte. Besonders interessante Fälle stellten die Engagements des DDR-Bauwesens in Nordkorea und Syrien dar: Nach Nordkorea wurde als Teil von Reparationsleistungen der DDR an die Sowjetunion nicht nur Materiell-Gebautes exportiert, sondern auch ein institutionelles Gefüge aus Planern und Architekten inklusive einer Berufsschule für Bauwesen. In Syrien war die DDR am Neuaufbau der Zementindustrie beteiligt und es entwickelten sich in diesem Zusammenhang erstaunliche Konflikte mit dem sozialistischen „Bruderland“ Bulgarien, die ein anderes Licht auf die vermeintlich homogene Struktur der Zusammenarbeit im RGW werfen.

Die Session zu Sonderbautypen zeichnete ein kontrastierendes Bild zur dominierenden Wahrnehmung des DDR-Bauerbes als stark typisiert und monoton. Insbesondere Schwimmbäder und Restaurants wiesen oft eine auffallend vielfältige Gestaltung auf und waren, im Fall der Schwimmbäder, im weltweiten Vergleich sogar ihrer Zeit voraus. Bereits Ende der 1960er Jahre entwickelten DDR-Architekten Konzepte für Spaß- und Familienbäder, die auch im westlichen Ausland rezipiert wurden. In den Restaurants fanden sich viele Einzelanfertigungen in der Ausgestaltung der Gebäude, die die Monotonie mit international konkurrenzfähigem Design durchbrachen.

Ein traditioneller Fokus der Werkstattgespräche liegt auf biographischen Zugängen zur Bau- und Planungsgeschichte der DDR. Auf der diesjährigen Veranstaltung wurde unter anderem über die kleine Gruppe privater Architekten diskutiert, die in der DDR tätig waren. Ihre Rolle und Relevanz ist bisher kaum erforscht. Offensichtlich konnten sie teilweise eine interessante Nischenfunktion insbesondere auf dem Land für nicht so leicht typisierbare Spezialbauten ausfüllen. Darüber hinaus wurden in weiteren Vorträgen auch die biographischen Brüche vieler Planer und Architekten im Übergang von NS-Zeit zur DDR und von der DDR zum wiedervereinigten Deutschland thematisiert.

Das 15.Werkstattgespräch hat gezeigt, dass das Format in seiner Kombination von Forschung, jungen Wissenschaftler/-innen, Zeitzeug/-innen aus der Planer-Community und Vertreter/-innen gesellschaftlicher Initiativen auf dem Gebiet der DDR-Denkmalkultur inzwischen fest etabliert ist, so Engler. Es ist nicht nur von großem Interesse für die Fachöffentlichkeit sowie eine breite Öffentlichkeit, sondern fungiert auch als Kommunikations- und Netzwerkforum für diese diversen Akteure. Für die historische Forschung am IRS ist die Reihe eine wertvolle Ressource für eine differenzierte Reflektion der eigenen Forschung sowie für den Diskurs mit wichtigen Akteuren außerhalb des Instituts.

Fünfgiebelhaus und viel mehr: Ausstellung über den Architekten Peter Baumbach

Im Kontext des 15. Werkstattgesprächs wurde am 18. Januar 2018 eine Ausstellung über den Rostocker Architekten und Künstler Peter Baumbach am IRS eröffnet. Unter dem Titel "Fläche – Körper – Raum. Peter Baumbach über Gebautes, Gedachtes und Gesehenes" werden Entwurfszeichnungen, Architekturfotos, Zeichnungen, Gemälde und Plastiken Baumbachs aus einem halben Jahrhundert gezeigt. Peter Baumbach (geb. 1940) hat insbesondere in Rostock, wo er seit 1964 lebt und arbeitet, zahlreiche Bauten realisiert, oft zusammen mit seiner Frau Ute. Aufmerksamkeit fand u.a. das unter seiner Leitung Mitte der 1980er Jahre in Plattenbauweise errichtete „Fünfgiebelhaus“ am Universitätsplatz, das innovativ traditionelle und künstlerische Elemente aufnahm. Als Berater des Oberbürgermeisters von Addis Abeba war Baumbach mehrere Jahre lang maßgeblich an der Entwicklung der äthiopischen Hauptstadt beteiligt, bis 2005 war er Professor an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee.

Ein Bericht über die Vernissage von Dr. Kai Drewes, Leiter der Wissenschaftlichen Sammlungen des IRS, finden Sie im Blog des Leibniz-Arbeitskreises Archive.

Weitere Informationen zur Ausstellung, die noch bis zum 30. Juni 2018 am IRS zu sehen ist, finden Sie hier.