Qualifizierungsprojekt

Vorreiter, Nachahmer und Nachzügler: Governance des Klimawandels in deutschen Städten

Forschungsschwerpunkt: Politik und Planung

Projektleitung im IRS: Dr. Wolfgang Haupt

Laufzeit: 01/2022 - 12/2025

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"Ja, wir könnten jetzt was gegen den Klimawandel tun, aber wenn wir dann in 50 Jahren feststellen würden, dass sich alle Wissenschaftler doch vertan haben und es gar keine Klimaerwärmung gibt, dann hätten wir völlig ohne Grund dafür gesorgt, dass man selbst in den Städten die Luft wieder atmen kann, dass die Flüsse nicht mehr giftig sind, dass Autos weder Krach machen noch stinken und dass wir nicht mehr abhängig sind von Diktatoren und deren Ölvorkommen. Da würden wir uns schön ärgern.“
(Marc-Uwe Kling)

Seit mehreren Jahrzehnten engagieren sich (einige) Städte im Bereich der Klimapolitik. Zunächst umfasste dies vor allem den Bereich Klimaschutz, also sämtliche Strategien und Maßnahmen, die auf eine Senkung der Treibhausgasemissionen abzielen. Angesichts immer extremerer Wetterereignisse wie Hitzewellen und Starkregen kamen in den letzten Jahren Strategien und Maßnahmen für die Anpassung an den Klimawandel hinzu. Die bisherige Forschung zur städtischen Klimapolitik hat den Fokus meist auf international vernetzte und sichtbare Metropolen (z.B. Amsterdam, Kopenhagen, Stockholm) und auf eine Handvoll hervorstechender kleinerer Pionierstädte (z.B. Bristol, Freiburg, Graz) gelegt. Was all diese Städte eint ist, dass sie unter vergleichsweise ‘komfortablen‘ Bedingungen Klimapolitik betrieben können und wenig Probleme haben nationale und internationale Sichtbarkeit zu erlangen. Was ist jedoch mit den Städten in der zweiten Reihe, die anders als die genannten Städte mit sehr begrenzten finanziellen und personellen Ressourcen und ohne nennenswerte politische und zivilgesellschaftliche Unterstützung arbeiten (müssen)?

Im Rahmen des Habilitationsprojekts wird eine größtmögliche Bandbreite an Städten in den Fokus genommen. Dies betrifft sowohl Vorreiter („Forerunner“), also Städte in denen schon seit längerer Zeit eine ambitionierte Klimapolitik verfolgt wird, als auch Nachzügler („Laggards“), Städte die klimapolitisch bisher wenig aktiv waren. Hinzu kommen die zahlreichen Nachahmer („Follower“) bzw. Städte im „Mittelfeld, die weder dem Feld der Vorreiter noch dem der Nachzügler zugeordnet werden können. Hierbei geht es jedoch nicht in erster Linie um die Zuordnung nach klimapolitscher Aktivität (Vorreiter, Nachahmer, Nachzügler) sondern vielmehr um die Gründe für diese. Die bisherige Forschung zur städtischen Klimapolitik hat einen Zusammenhang zwischen bestimmten strukturellen - genauer gesagt sozio-demographischen, sozio-ökonomischen und ökonomischen - Faktoren und der klimapolitischen Aktivität von Städten hergestellt. Vor diesem Hintergrund wird im Projekt verschiedenen strukturellen Stadttypen ein großer Stellenwert eingeräumt. Etwa Wissensschafts- und Universitätsstädten, Industriestädten (im Wandel) oder historischen Städten. Das beschriebene Forschungspuzzle wird im Rahmen verschiedener Einzelfallstudien und vergleichender Fallstudien in deutschen Groß- und Mittelstädten untersucht. Hierbei kommen vor allem qualitative Methoden zum Einsatz (Analyse von Policy Dokumenten und Expert*inneninterviews). Außerdem wird im Rahmen des Habilitationsprojekts erforscht, ob und wenn ja welche Möglichkeiten zur Übertragung von Ansätzen zwischen Städten bestehen. Diese Frage wird sowohl empirisch als auch konzeptionell erörtert.

Das Habilitationsvorhaben ist an der Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg (Fachgebiet Regionalplanung) angebunden und wird von Prof. Dr. Ludger Gailing betreut.

Foto: Neil/stock.adobe.com

Publikationen

Haupt, W., Kern, K., & Irmisch, J. L. (2023). From Climate Policy Pioneers to Climate Policy Leaders? The Examples of the Eastern German Cities of Potsdam and Rostock. Urban Research & Practice. https://doi.org/10.1080/17535069.2022.2104655
Haupt, W., & Kern, K. (2022). Explaining Climate Policy Pathways of Unlikely City Pioneers: The Case of the German City of Remscheid. Urban Climate, 45, [101220]. https://doi.org/10.1016/j.uclim.2022.101220
Haupt, W., Eckersley, P., & Kern, K. (2021). How Can ‘Ordinary’ Cities Become Climate Pioneers? in C. Howarth, M. Lane, & S. Amanda (Hrsg.), Addressing the Climate Crisis: Local Action in Theory and Practice (S. 83-92). Palgrave Macmillan. https://doi.org/10.1007/978-3-030-79739-3_8
Haupt, W., Eckersley, P., Irmisch, J. L., & Kern, K. (2022). How do Local Factors Shape Transformation Pathways Towards Climate-Neutral and Resilient Cities? European Planning Studies. https://doi.org/10.1080/09654313.2022.2147394