20. November | 2020

Standpunkt

Finanzielle Beteiligung an Windkraftanlagen – Kommunen dürfen nicht leer ausgehen!

Die Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes bietet eine Chance, die Energiewende voranzubringen, indem Kommunen an Windkraftanlagen finanziell beteiligt werden. Doch der vom Bundeskabinett beschlossenen Regelung fehlt die Verbindlichkeit. Im Rahmen des Forschungsprojektes ReGerecht wurden erste Erfahrungen mit Bürger- und Gemeindebeteiligung bei Windenergieprojekten am Beispiel von Mecklenburg-Vorpommern untersucht, wo es bereits eine entsprechende Regelung gibt. Dabei zeigte sich, dass eine Beteiligung für die Betroffenen vorab kalkulierbar, einheitlich und unabhängig von der finanziellen Ausstattung und Verhandlungsmacht der jeweiligen Gemeinde sein muss. Eine Kann-Regelung, wie sie auf Bundesebene derzeit vorgesehen ist, wird dagegen wenig ausrichten.

Von Eva Eichenauer

Mitte September wurde im Bundeskabinett der Referentenentwurf des EEG 2021 beschlossen. Unter der Überschrift „Finanzielle Beteiligung von Kommunen“ wurde §36k eingeführt, der besagt, dass Betreiber von Windkraftanlagen an Land betroffene Gemeinden finanziell beteiligen dürfen. Der Passus wurde mit Spannung erwartet, schließlich sollte zum ersten Mal eine finanzielle Beteiligung an Windkraftanlagen bundesweit gesetzlich geregelt werden. Die Debatte war lange überlagert von der Diskussion um einheitliche Abstandsregeln, deren Wirkung auf lokale Konflikte um Windkraftanlagen eher fragwürdig ist. Ein vielversprechenderer Hebel hingegen wäre eine verstärkte lokale Wertschöpfung durch die teils recht ungeliebten Türme. Mit dem EEG 2021 könnte nun ein wichtiger Schritt in diese Richtung getan werden.

Im Mai diesen Jahres präsentierte das Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie einen konkreten Vorschlag: Zum einen sollten Standortkommunen eine leistungsbezogene Abgabe von 0,2 Cent/kWh erhalten. Weiterhin könnten Betreiber den Anwohnenden einen Bürgerstromtarif anbieten, wodurch, ab einer gewissen Anzahl unterzeichneter Abnahmeverträge, die leistungsbezogene Abgabe für die Gemeinde auf 0,1 Cent/kWh sinke. Diese Regelung verpflichtete die Betreiber also einerseits dazu, festgesetzte Abgaben an die Standortgemeinde zu entrichten, andererseits versuchte sie einen Anreiz zu schaffen, auch Anwohnenden über einen besonderen Stromtarif einen finanziellen Mehrwert zukommen zu lassen. Dieser Vorschlag schaffte es als §36k in den Referentenentwurf zur EEG-Novelle 2021. Soweit so gut.

Aus der Kabinettssitzung kam dieser Paragraph jedoch deutlich anders heraus, als er hinein ist. Der optionale Bürgerstromtarif wurde gestrichen und aus der verpflichtenden leistungsbezogenen Abgabe an Standortkommunen wurde eine Kann-Regel für eine Abgabe an „betroffene Gemeinden“. Konkret heißt es nun, sollen Anlagenbetreiber eine leistungsbezogene Abgabe von 0,2cent/Kwh anbieten dürfen, die sie sich zum Jahresende von den Netzbetreibern zurückerstatten lassen können. Welche Auswirkungen hat das nun für die 2018 im Koalitionsvertrag vereinbarte Versprechen Standortgemeinden, Bürgerinnen und Bürger vermehrt an der Wertschöpfung durch erneuerbare Energien zu beteiligen? Ich befürchte, bestenfalls keine – schlechtestensfalls geht der Schuss nach hinten los.

Eine Kann-Regel wird wenig bis nichts ausrichten können

Im Rahmen des BMBF-finanzierten Forschungsprojektes ReGerecht haben wir erste Erfahrungen von Gemeinden und Vorhabenträgern mit dem Bürger- und Gemeindenbeteiligungsgesetz in Mecklenburg-Vorpommern untersucht. Mecklenburg-Vorpommern ist 2016 den mutigen Schritt gegangen, als erstes Bundesland eine gesetzliche Verpflichtung für die Beteiligung an Windkraftanlagen an Land einzuführen. Kommunen und Anwohnende im Umkreis von 5km um eine Anlage sollten mindestens 20% der Anteile an der Betreibergesellschaft zum Kauf angeboten bekommen. Aus den ersten Erfahrungen aus dem Nordosten der Republik lassen sich wichtige Rückschlüsse für eine Bundesgesetzgebung ziehen, die nicht nur eine Akzeptanzsteigerung zum Ziel hätte, sondern die lokale Wertschöpfung zum Ausgangspunkt eines nachhaltigen Ausbaus von erneuerbaren Energien macht. In einem Policy Brief haben wir Empfehlungen für gute Bedingungen für lokale Wertschöpfung aus Windkraftanlagen herausgearbeitet.

Die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung auf Bundeseben ist nicht zu bestreiten. Sie sollte Mindeststandards für lokale Wertschöpfung setzen. Diese sollte einerseits kalkulierbar sein, das heißt, für Anwohnende und Gemeinden sollte klar sein, welchen Nutzen sie zu erwarten haben. Andererseits sollte Wertschöpfung auch ohne kommunale Investitionen, wie sie z.B. im Falle kommunaler Beteiligung nötig wäre, auskommen. Vor diesem Hintergrund ist eine festgelegte leistungsbezogene Abgabe, wie es der EEG-Entwurf vorsieht zu begrüßen.

Kommunen müssen gestärkt werden – nicht nur finanziell

Gleichzeitig sollte Raum für individuelle Vereinbarungen zwischen Kommunen und Vorhabenträgern geschaffen werden, die über die gesetzlichen Regelungen hinausgehen. Vorhabenträger und Kommunen, die bereits in gutem Austausch stehen, brauchen Spielräume, gemeinsam bedarfsgerechte Lösungen zu entwickeln. Aber nicht alle Betreiber suchen den Kontakt zu den Gemeinden. Nicht immer sind Gemeinden über Flächenbesitz in der Position, über Ausbaubedingungen zu verhandeln. Sie sollten nicht nur an der Wertschöpfung beteiligt werden, sie benötigen auch ein Mindestmaß an Entscheidungsmöglichkeit. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, hier Mitbestimmungsbefugnisse zu schaffen.

Um informierte Entscheidungen treffen zu können, bedarf es institutioneller Unterstützung. Kleinen Kommunen im ländlichen Raum fehlen angesichts der komplexen Materie häufig die Ressourcen, sich in die Fülle von Regularien und technischen Spezifika tiefgehend einzuarbeiten. Organisationen, wie Landesenergieagenturen, regionales Energiemanagement oder entsprechend ausgestattete Behörden für Regionalplanung können Kommunen beraten, wenn es darum geht, konstruktive Vorgehensweisen für Windkraftausbau im Ort zu entwickeln.

Das wichtigste bleibt jedoch: Kommunen dürfen nicht leer ausgehen! Dabei sei es dahin gestellt, ob sie nicht an der Wertschöpfung beteiligt sind, weil ihnen das finanzielle Risiko einer Gesellschaftsbeteiligung zu hoch ist, wie im Falle des Bürger- und Gemeindenbeteiligungsgesetzes, oder weil der Anlagenbetreiber schlicht keine Abgabe nach §36k zahlen möchte. Im aktuellen Entwurf haben Gemeinden kein gesetzliches Anrecht auf finanzielle Ausgleiche. Schlimmer noch, es besteht die Gefahr der Verschärfung lokaler Konflikte. Sehen sich doch Gemeinden, in denen Konflikte um Windkraftanlagen bereits virulent sind, bei freiwilligen Kompensationsangeboten durch Vorhabenträgern bereits jetzt dem Vorwurf der Käuflichkeit ausgesetzt – ein Argument, welches auch die Absicht der Akzeptanzsteigerung ins Gegenteil verkehrt.

Verpflichtende Abgabe als Mindeststandard

Das alles spricht für eine verpflichtende Abgabe als Mindeststandard für lokale Wertschöpfung. Der Goldstandard wären Regelungen, die Kommunen Entscheidungsmöglichkeiten einräumten und Räume schafften, die es Gemeinden erlaube, kommunale Interessen in der Energiewende geltend machen zu können. Damit wäre nicht nur für lokale Wertschöpfung gesorgt, es würde betroffene Gemeinden auch in die Lage versetzen, die Energiewende selbst mitzugestalten. Schließlich ist es auch eine Frage der Gerechtigkeit, dass Gemeinden, die die infrastrukturellen Lasten der Energiewende zu tragen haben, auch von ihr profitieren.

Es wäre nicht verkehrt, wenn sich davon einiges in der kommenden Parlamentsdebatte wiederfände, um die Energiewende nicht nur entsprechend der nötigen Erzeugungskapazitäten, sondern auch gerechter umzusetzen! Eine konsequente nachhaltige Energiewende ist nicht nur die einzige Möglichkeit, die Erderwärmung zu begrenzen, sie ist auch eine große Chance für regionale Entwicklung, die man nicht auslassen darf.

Dieser Beitrag erschien zuerst in Tagesspiegel Background Klima & Energie.